Heute morgen strahlender Sonnenschein und es verspricht recht warm zu werden. Nachdem ich mich von meinem gestrigen Abendessen befreit hatte, habe ich doch noch recht gut geschlafen. Wenn es dunkel ist, sieht man ja Gottlob nicht, wo man schläft. Morgens ging ich dann in die benachbarte Bar, wo man frühstücken konnte. Viel gab es nicht. Ich entschied mich für Sandwiches mit gekochtem Schinken und Käse überbacken sowie einen Milchkaffee. Erfreulicherweise habe ich alles gut vertragen.
Da ich noch Probleme mit der Zeitumstellung habe, kam ich erst nach 10 Uhr los. Ich fuhr erst mal durch die Stadt und versorgte mich mit Proviant für den Tag. Brötchen und Bananen. Lom ist an einigen Stellen doch recht hübsch saniert worden. Das gilt insbesondere für eine Fußgängerzone, die sich durch die Stadt zieht und durch Grünanlagen dem grauen Stadtbild Farbe verleiht. Die EU hat wie ein Schild ausweist hier mitfinanziert. Die Gegend um Lom ist übrigens das Zentrum der Romas in Bulgarien. 60 Prozent der Einwohner Loms sind Roma. Daraus ist wahrscheinlich ein großer Teil der Tristesse zu erklären, die ich gestern als so niederschmetternd empfunden habe. Wie in vielen anderen Ländern haben die Roma auch in Bulgarien eine niedrige soziale Stellung. Daraus ergeben sich natürlich große wirtschaftliche Probleme für eine überwiegend von Romas bewohnte Region. Hauptproblem ist die Armut, die besonders durch die hohe Arbeitslosigkeit verstärkt wird. Wegen des Geburtenrückganges und des Wegzugs der jüngeren Bevölkerung auf der Suche nach besseren Chancen hat sich das Durchschnittsalter dramatisch erhöht.
Aus Lom raus geht es dann erst einmal bergauf. Etwa 150 Meter Anstieg auf einer Basaltkopfsteinpflasterstrecke. Da kommt Freude auf. Irgendwann schafft man das aber dann auch und oben angekommen erfreue ich mich daran, dass nun plötzlich die Straße ganz hervorragend wird, ich also bei der langen ebenen Strecke über die Höhen der Hügel und auch bei der späteren Abfahrt gut Tempo machen kann. Die Hügelrücken, die sich hier entlang der Donau auf bulgarischer Seite ziehen, zeichnen sich dadurch aus, dass man erst mal ziemlich steil hinauf muss, aber dann erst einmal kilometerweit auf einer Hochebene fährt, bevor es wieder runter an die Donau geht. Übrigens ist die andere Seite der Donau weitgehend flach. Insofern ist die Versuchung groß, die Seiten zu wechseln.
Solche Aufstiege habe ich heute etwa dreimal zu bewältigen. Auf der Höhe hinter Lom ändert sich aber auch schon das Bild sowohl der Landschaft als auch der Ortschaften. Zum einen wird hier oben Landwirtschaft betrieben. Was mich dabei besonders erstaunt ist die Größe der Felder. Sie sind teilweise kilometerbreit oder -lang. Offensichtlich wird hier in großen Genossenschaften Landwirtschaft betrieben. So sieht man neben sehr einfacher Flurbestellung eher in der Ebene hier oben auch sehr moderne landwirtschaftliche Geräte und Traktoren. Die Ortschaften werden nun ebenfalls freundlicher und sehen nicht mehr wie eine Ruinenansammlung aus, obwohl es immer noch genug gibt. Es gibt aber auch immer mehr schon liebevoll gepflegte Anwesen und es freut mich zu sehen, dass Bulgarien nicht überall so trist ist wie im äußersten Nordwesten. Besonders herausgeputzt erscheint hier die kleine Stadt Kozloduy mit für bulgarische Verhältnisse vielen bunten Häusern, interessanten Repräsentationsbauten, einer Fußgängerzone und einem pulsierenden Leben. Grund dafür, dass es den Menschen hier wohl wirtschaftlich besser geht als in den anderen Gegenden, durch die ich bisher gefahren bin, ist sich der Standort des nahegelegenen Atomkraftwerks Kozloduy, durch das hier gut bezahlte Arbeitsplätze entstanden sind.
Eigentlich habe ich mich ja heute entschieden in Oryachovo noch mit der Fähre rüber nach Rumänien zu fahren, um dort auf den nächsten 250 Kilometern die flache Strecke zu genießen und meine Kräfte zu schonen. Da ich aber erst gegen 18:20 Uhr am Fähranleger ankomme, ist die Fähre schon seit 20 Minuten weg. Da die Fähre zwar auch die ganze Nacht fährt aber leider nur alle zwei Stunden, habe ich nun keine Lust mehr, bis 20 Uhr zu warten und begebe mich auf Quartiersuche. Nahe dem Hafen gibt es ein kleines Hostel, das aber bei booking.com schon ausgebucht war. Auch bei meiner unmittelbaren Nachfrage blieb es ausgebucht. In Oryachovo findet wohl gerade ein Badminton Jugendturnier statt und die Jugendlichen haben sich wohl größtenteils hier einquartiert. Über Google finde ich dann noch das Hotel Central. Ich fahre also hin, die Rezeption ist aber leider unbesetzt und ich finde nur eine Telefonnummer. Die Frau spricht glücklicherweise Deutsch, ist aber gerade im Garten. Sie kündigt mir ihre Ankunft in etwa 10 Minuten an. Ich bekomme das Zimmer für umgerechnet 12,50 €, was ein Sonderpreis ist. Normalerweise nimmt sie 15 €. Aber da sie das Hotel erst gestern wieder für die Saison eröffnet hat und ich der erste Gast in dieser Saison bin, bekomme ich diesen Sonderpreis. Das Hotel ist auch ziemlich heruntergekommen, was sicher nicht an der Verwalterin liegt, die sehr bemüht ist, alles zu meiner Zufriedenheit zu regeln. Es fehlt halt einfach an Kapital, um diese schon älteren Immobilien auf den neusten Stand zu bringen. So hat man nun zwar Zimmer mit Dusche, aber die sind über der Toilette nachträglich eingebaut und man sollte sich genau überlegen, wann man duscht, denn danach ist die Toilette erst einmal nass.
Das Abendessen nehme ich in einer benachbarten Bar ein. Es scheint mir heute doch besser zu bekommen als gestern. Inzwischen werde ich immer skeptischer, ob ich tatsächlich gut beraten bin, morgen nach Rumänien zu wechseln, denn man findet in angemessener Entfernung schlicht keine einzige Unterkunft. Na, mal sehen, was der morgige Tag bringt.
Tagesdaten: 78,79 km; 6:45:15 Std. Fz; 11,66 km/h; 495 Hm