Das Frühstück im City House Hotel ist sehr ordentlich. Es gibt Toastbrot, sehr dicke Wurstscheiben, ebenso dicke Scheiben gelber Käse wie er hier genannt wird, wenn es kein Schafs- oder Ziegenkäse ist. Es gibt wieder Gurken und Tomaten, es gibt Rührei mit bulgarischer Wurst und bulgarischem Schinken, es gibt verpackte Marmelade und sogar so eine Art Nuss-Nougat-Creme. Schließlich gibt es noch Äpfel und Orangen. So lasse ich es mir erst einmal schmecken. Auffällig ist, die Bulgaren laufen immer sehr leger rum. Der Kellner, der morgens für das Frühstück zuständig ist, trägt einen Trainingsanzug. Nur die Dame an der Rezeption hat sich in Schale geschmissen und trägt einen dunklen Hosenanzug und ungesund hochhackige Schuhe. Ihr männlicher Kompagnon läuft dagegen, selbst wenn er Rezeptionsdienst hat, auch sehr leger rum.
Heute mache ich einen Ausflug zum Kloster Basarbowski und zu den Felskirchen von Ivanovo. Dabei werde ich rund 50 Kilometer zurücklegen aber mit ordentlichen Steigungen. Das Wetter ist zunächst schlechter als vorausgesagt. In der Nacht hatte es geregnet, der Himmel ist noch immer bedeckt und bis Mittag fällt immer wieder leichter Nieselregen. Erst am frühen Nachmittag bricht sich die Sonne Bahn durch die Wolken und es wird angenehm warm. Das Kloster Basarbowski liegt nur etwa 10 Kilometer von Ruse entfernt nahe dem Ufer des Russenski Lom, eines kleineren Nebenflusses der Donau. Das Kloster hat einen modernen Teil, der meines Erachtens nichts mehr unmittelbar mit dem darüber liegenden Felsenkloster zu tun hat. Das Felsenkloster dient nur noch den Touristen. Markantes Merkmal des Felsenklosters ist vor allem ein in den Fels gearbeiteter Kirchturm und mehrere Felshöhlen für Einsiedler aber auch eine Höhle zur Beichten. Es ist ein bulgarisch-orthodoxes Höhlenkloster, was wegen seines Erhaltungsgrade sehr sehenswert ist. Es ist seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Leider gibt es hier keine englisch- oder gar deutschsprachigen Erläuterungen, so dass ich lediglich auf das, was ich sehe, angewiesen bin.
Nach dem Besuch radle ich weiter in Richtung Ivanovo zu den dortigen Felskirchen. Die Fahrt ist anspruchsvoll, weil es doch mehrere hundert Höhenmeter zu überwinden gilt. Von Ivanovo geht es dann wieder 150 Meter steil bergab, bis man zum Parkplatz am Russenski Lom gelangt, über dem die Felsenkirchen in den Fels gehauen wurden. Den Rundweg, der gleichzeitig phantastische Blicke in das Flusstal eröffnet, mache ich dann zu Fuß. Leider bekommt man von den Felshöhlen recht wenig mit, außer dass man die in den Felsen gehauenen Vertiefungen sieht, in denen die Einsiedler einst gehaust haben. Die einzelnen Einsiedlerhöhlen sollen sogar einst mit Gängen verbunden gewesen sein, die aber heute wohl überwiegend wieder eingestürzt sind. Aus den Einsiedlerhöhlen entstand dann im 13. Jahrhundert das Kloster Erzengel Michael. In der zentralen Klosterkirche, die der Jungfrau Maria geweiht ist, kann man heute noch Fresken aus dem 13. und 14. Jahrhundert bestaunen. So findet sich ein Fresko von Zar Iwan Alexander und seiner Frau Theodora wie sie einem Heiligen den Berg mit dem Kloster übergeben. Die Decke des Innenraums ist mit Fresken der letzten sieben Tage im Leben Christi ausgemalt, wobei hier besonders das Abendmahl und der Judaskuss hervorzuheben sind. Seit 1979 gehören die Felskirchen von Ivanovo auch zum UNESCO Weltkulturerbe. Ich betrachte mir alles, mache viele Fotos, die hoffentlich einen Eindruck wiedergeben und steige dann wieder hinab zum Parkplatz.
Ich bin schon froh, dass ich heute kein Gepäck mithabe. Ich glaube ich hätte das Fahrrad ungerne mit dem ganzen Gepäck etwa eine Stunde auf dem Parkplatz stehen lassen. So konnte ich aber den Rundgang, die Blicke in die Ferne und auch die Felskirchen genießen. Unterwegs treffe ich ein australisches Ehepaar schätzungsweise zwischen 75 und 80, die sich in Bukarest ein Auto geliehen haben und ein Rundreise durch Rumänien, Bulgarien und Ungarn unternehmen. Sie meiden die Großstädte, weil die so schmutzig seien und quartieren sich in leineren Dörfern ein. Die Rückfahrt verläuft recht unproblematisch und ich bin gegen 16:30 Uhr wieder in meinem Hotel. Es war eine Fahrt von nur 50 Kilometern aber immerhin fast 600 Höhenmetern.
Nach einer kurzen Erfrischungspause im Hotel habe ich noch Zeit und Lust zu Fuß zu einer ersten Erkundung von Ruse aufzubrechen. Ruse kam mir bisher wie fast alle bulgarischen Städte triste vor. Wenn man in die Städte fährt sieht man meistens zerstörte oder verfallende Industriebrachen und auch Ruinen alter Wohnhäuser. Dann kommen meistens heruntergekommene Plattenbauten und weitere Ruinenhäuser. Nur ganz selten ein Lichtblick eines neuen oder restaurierten Hauses. Schon in Svishtov hatte ich allerdings festgestellt, dass es bei den größeren Städten durchaus sinnvoll ist, ins Innere vorzudringen. Leider hat das Hotel keinen Stadtplan. Deshalb lasse ich mir von der freundlichen Frau an der Rezeption erklären wie ich zum zentralen Platz Svoboda (Freiheitsplatz) gelange. Es ist nicht weit und nach etwa 10 Minuten stehe ich im Zentrum von Ruse und bin doch einigermaßen beeindruckt. Nicht umsonst hat der bulgarische Staat dem Stadtkern wegen seiner geschichtlichen und der besonderen architektonischen Bedeutung mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
Beeindruckt bin ich vor allem von dem vielen Grün und den Blumenrabatten, die man in der Stadt findet. Das war auch in Svishtov schon auffällig. Wegen der vielen historischen Wohn- und Geschäftshäuser im Zentrum der Stadt aus der Zeit um 1900, die häufig wohl von österreichischen Architekten entworfen wurden, wird Ruse auch gern „Klein-Wien“ genannt, eine Bezeichnung, die ich bei genauerer Betrachtung nicht ganz abwegig finde. Der Freiheitsplatz ist schon von seinen Dimensionen her sehr beeindruckend und er wird von zahlreichen Gebäuden unterschiedlicher Stilrichtungen geprägt. Dominierend bleibt das Freiheitsdenkmal, das den Platz überragt. Daneben sind aber auch das moderne Rathaus, der Justizpalast, das Theater und die Staatliche Oper prägend. Viele Blumenrabatten, Bänke und mit Hecken abgetrennte Bereiche laden zum Verweilen ein. Insofern ist der Platz sehr belebt.
Ich schlendere noch ein wenig durch die Fußgängerzone. Dabei komme ich auch wohl an dem Geburtshaus von Elias Canetti vorbei, der hier in Ruse 1905 geboren wurde. Ich gelange zu einem weiteren Platz, der auch sehr begrünt ist, an dessen einem Ende ich ein Museum erkenne. Der erste Eindruck von Ruse ist auf jeden Fall sehr interessant und macht Lust auf mehr. So werde ich mich morgen noch einmal verstärkt dieser Stadt zuwenden. Vor allem hoffe ich auf eine Touristeninformation, wo ich mich mit einem Stadtplan und vielleicht einigen für mich lesbaren Erläuterungen ausstatten kann.
Den Abend verbringe ich wieder im Restaurant meines Hotels. Das Restaurant ist immer ausgesprochen gut besucht. Es ist ein großer Freisitz, der aber unter einem Zeltpavillon je nach Witterung geöffnet oder geschlossen werden kann. Ich habe heute richtig Schwierigkeiten einen Platz zu finden. Schließlich gelingt es aber doch und ich lasse mir das Abendessen mit einem Avocado-Chicken-Salat und einem gebackenen Camembert mit Rindfleischcarpaccio, getrockneten Tomaten und Rosmarien schmecken. Die Küche des Restaurants ist wirklich ausgezeichnet. Die Bedienungen sind dagegen etwas langsam. Aber ich habe ja Zeit!
Tagesdaten: 50,64 km; 4:21:25 Std. Fz; 11,62 km/h; 592 Hm