Tagesstrecke: 80,1 Km; 13,59 Km/h; 390 Hm
Heute geht es also auf den letzten Teil der Strecke des La Veloscenie nach Mont-Saint-Michel. Das Frühstück ist bescheiden, weil ich natürlich gestern keinen Großeinkauf gemacht habe, aber es reicht. Leider ist das Baguette, dass ich noch vom Sonntag habe, nicht mehr ganz frisch. Aber nach dem Frühstück ist es ja dann auch weg. Nachdem ich meine Sachen zusammengeräumt habe, was in einem so großen Haus komplexer ist als in einem normalen Hotelzimmer, wasche ich noch das Geschirr ab, verstaue mein Gepäck auf dem Fahrrad, verschließe das Haus wieder und tue die Schlüssel in den Schlüsselkasten und verändere die Zahlenkombination. Dann geht es los.
Fangen wir mit dem Erfreulichen des heutigen Tages an. Zu meinem Erstaunen gelange ich nach etwa 400 Metern wieder auf einen Bahntrassenradweg. Den letzten hatte ich ja kurz vor Bagnoles-de-l’Orne verlassen. Aber es wird auf den nächsten 62 Kilometern eine angenehme Strecke mit keinerlei Herausforderungen auf der Strecke. Sonst gäbe es darüber nicht viel mehr zu berichten, außer das es den ganzen Tag bis kurz vor Mont-Saint-Michel geregnet hat und das die Strecke vor diesem Hintergrund mit 80 Kilometern natürlich etwas anstrengend wurde. Das führt auch dazu, dass ich zwei Abstecher nach Saint-Hilaire-du-Harcouët und nach Ducey ausfallen lasse.
Als der Weg an Saint-Hilaire vorbeiführt habe ich so gegen 12 Uhr bereits die Hälfte der Strecke hinter mir und denke, dass es Zeit für eine Pause ist. Als ich so an einer Straßenüberquerung stehe und darüber nachgrüble, ob ich jetzt wirklich in die Stadt hineinfahren will, sehe ich rechts von mir in etwa 50 Metern Entfernung ein Schild La Quent´inn. Es sieht nach so etwas wie einer Gaststätte aus. Ein Schild vor dem Haus wirbt mit einem Menu du jour, also einem Tagesgericht. Ich stelle mein Fahrrad vor dem Haus ab, nehme meine Lenkertasche mit den Wertgegenständen und betrete das Haus. Die Gaststätte ist völlig leer. Hier werde ich aber erst einmal etwas erstaunt angeschaut und dann gefragt, ob ich reserviert habe. Als ich ebenso erstaunt verneine, scheint mir der Wirt etwa klarmachen zu wollen, was ich nicht verstehe. Nach und nach verstehe ich, dass wohl fast alle Plätzte bis auf einen, reserviert sind, was ich mir allerdings kaum vorstellen kann.
Immerhin hat der Wirt Verständnis dafür, dass ich darauf bestehe einen Platz an der Heizung zu bekommen. Als ich mich dann einigermaßen auf dem Platz eingerichtet habe und meine Lenkertasche und vor allem meine Handschuhe auf die Heizung gelegt habe, wird es sehr plötzlich ziemlich lebendig in der Gaststätte. Zunächst treten drei Bedienungskräfte auf, die mich nach meinem Begehr fragen, einer erkläre ich, dass ich gerne das Tagesgericht essen möchte, dann muss ich mich zwischen drei Gerichten entscheiden. Es gibt wohl Huhn, Steak und Fisch. Ich entscheide mich fürs Huhn und auf die Frage mit frites nicke ich natürlich mit dem Kopf, weil ich nicht weiß, was es sonst noch gibt. Eine zweite Bedienung lotst mich dann zu einem Gläsernen Kühlschrank der voll mit verschiedenen Desserts gefüllt ist und bittet mich zu entscheiden, welches ich wolle. Ich entscheide mich für einen Fruchtsalat.
Inzwischen betreten zwei ältere Damen, na ja, wahrscheinlich so zehn Jahre jünger als ich, das Lokal, als wären sie Stammgäste und schauen mich zunächst etwas argwöhnisch an. Ich werde derweil von einer dritten Bedienung zu einer sehr reizvoll aussehenden Salatbar geführt, die offensichtlich die Vorspeise enthält. Beim Wirt hatte ich vorher noch einen heißen Pfefferminztee bestellt. Als ich dann wieder sitze, geht es plötzlich wie in einem Taubenschlag zu. In der nächsten Viertelstunde strömen etwa 40 Menschen in das Lokal, zum Teil auch in Gruppen. Der Wirt führt dann einen Herrn mittleren Alters in Arbeitsmontur an meinen Tisch und erklärt ihm offensichtlich, was ich hier zu suchen habe. Der Mann ist freundlich und reicht mir auch gleich die Hand. Wir merken aber schnell, dass es mit einer Unterhaltung nichts wird. Nach fünf Minuten zeigt er mir dann ganz stolz, dass er nun eine Übersetzer-App installiert habe und wir und darüber austauschen könnten. So erfahre ich, dass er hier auf Dienstreise ist und beruflich Garagentore montiere. Er fragt mich auch einige Dinge und ist sehr erstaunt, was ich für eine Tour mache.
Um es abzukürzen, das Hauptgericht war nicht überwältigend, weil an dem Hähnchenschenkel recht wenig Fleisch dran war. War offensichtlich eine Flugente. Das Salatbuffet war sehr gut und auch der Fruchtsalat war für mich sicher gut. Nach etwa einer Dreiviertelstunde war ich fertig, verabschiedete mich von meinem Tischgenossen, der allerdings auch aufbrach, zahlte und machte mich wieder auf den Weg. Ich konnte aber feststellen, dass die knappe Stunde Pause mir sehr gut getan hatte und so fuhr ich, natürlich weiter bei Regen, nun die zweite Hälfte meiner Strecke.
In Pontaubault endete der Bahntrassenradweg dann abrupt und ich wurde auf die Straße geleitet. Eine Sehenswürdigkeit hat der Ort zu bieten, die ich hier zumindest vorstellen möchte. Es ist die „Pont de Pontaubault“, ein beeindruckendes Brückenbauwerk, dessen Bau bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Es ist die erste Brücke, die die Sélune zwischen Saint-Quentin-sur-le-Homme (rechtes Ufer) und Pontaubault (linkes Ufer) überquert. Sie liegt an der alten Straße von Avranches nach Rennes. Seit dem Bau der Autobahn A84 wird sie hauptsächlich lokal genutzt. Die Brücke hat elf Bögen und ist aus Steinmauerwerk gebaut. Die Brücke hat eine reiche Geschichte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie mehrmals bombardiert, hielt diesen Angriffen jedoch stand und ermöglichte die Überfahrt von 100.000 Mann und 1.500 Fahrzeugen der Alliierten.
Nun geht es auf der Straße weiter entlang der Bucht von Mont-Saint-Michel. Hier kann man auf den Salzwiesen Schafen beim grasen zusehen. Bei großer Flut soll hier alles überflutet sein. Zur Zeit ist aber eher Ebbe. Die Straße ist nur wenig befahren. Das wird aber im Sommer anders sein. Ich fahre an einer Unzahl angebotener Chambres d´Hotes vorbei. Schließlich bin ich nach etwa 15 Kilometer am Ziel meiner heutigen Etappe, am Deich zum Mont-Saint-Michel. Ich genieße eine Zeitlang den Blick auf dieses weitere Weltkulturerbe. Inzwischen hat es ja auch aufgehört zu regnen. Dann geht es noch einmal weiter in die etwa dreieinhalb Kilometer entfernte von mir vorab gebuchte Unterkunft mit dem Namen „Chambres Les Salles“ in dem Dorf Beauvoir, wo ich von einem kräftigen Mann meines Alters begrüßt werde. Das Zimmer ist sehr einfach, enthält aber alles, was ich so brauche. Bett, Tisch, Badezimmer, WLAN, wenn auch nicht gut und Frühstück. Ich werde hier drei Nächte verbringen. Morgen will ich mich erst einmal ausruhen. Die letzten Tage waren doch etwas anstrengend. Für übermorgen habe ich mir den Besuch des Mont-Saint-Michel vorgenommen und am Freitag geht es dann weiter. Aber dazu werde ich dann zu gegebener Zeit berichten.