Nach zweieinhalb sehr interessanten Tagen in Warschau heißt es heute wieder Strecke machen. Ich fahre heute nicht die Weichsel entlang, sondern etwas über Land, weil ich mir morgen das Geburtshaus von Frederic Chopin in Żelazowa Wola ansehen möchte. Als ich in Warschau aufbreche, stelle ich fest, dass einige Straßen gesperrt sind. In Warschau findet gerade der Stadtmarathon statt und ich begegne auch vielen Läufern. Allerdings finde ich doch einen Weg und man kann auch nicht sagen, dass viele Zuschauer die Wege versperren. Mein Weg führt zunächst noch einmal durch die Innenstadt vorbei an zahlreichen modernen Büro- und Hoteltürmen. Dann geht es entlang der N 92 zunächst auf einem straßenbegleitendem Fahrradweg und dann direkt auf der Nationalstraße. Obwohl es Sonntag ist und wenige LKW unterwegs sind, ist das ein ziemlich unangenehmes Fahren. Aber es hilft nicht zu klagen. Man sollte auch nicht sagen Augen zu und durch. Aber ich rufe mir meinen alten Grundsatz ins Gedächtnis, mit Gottvertrauen nach vorne zu schauen, möglichst gleichmäßig zu fahren und nicht zurückzublicken. Nach etwa Zwei Dritteln der Strecke hat mein Navi eine Alternativstrecke gefunden und holt mich runter von der N 92 und führt mich ziemlich parallel zur N 92 durch kleinere Ortschaften.
Mehr durch Zufall fahre ich hier auch durch den Ort Niepokalanów (übersetzt: Stadt Mariens; wörtlich: Stadt der Unbefleckten). Der Ort wurde von dem Franziskaner-Minoriten Maximilian Kolbe für missionarische Zwecke gegründet. Im Jahr 1927 bekam Maximilian Kolbe von dem Fürsten Jan Drucki-Lubecki hier ein größeres Grundstück geschenkt und konnte seine missionarische Tätigkeit endlich voll ausweiten. Es siedelten sich mehrere Mönche in Baracken an und auf dem Grundstück entstand innerhalb weniger Jahre eine Stadt, die Kolbe Niepokalanów nannte. In der Stadt wurden ein großes Kloster, ein Pressezentrum und verschiedene Unterkünfte für Konferenzen u. Ä. gebaut. 1930 verließ Kolbe Polen für Missionsarbeiten in Japan. Als er 1936 zurückkehrte, baute er seine Missionsstadt weiter aus. Niepokalanów erhielt einen Bahnhof, einen Flugplatz und eine Radiostation. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen wurde Niepokalanów besetzt, etwa vierzig Ordensbrüder, unter ihnen auch Kolbe, wurden verhaftet. Nachdem Kolbe am 8. Dezember 1939 wieder freigelassen worden war, organisierte er Niepokalanów als Zufluchtsort für Juden und andere Verfolgte. Er wurde nach seiner erneuten Festnahme 1941 im KZ Auschwitz ermordet.
Heute sollen etwa 120 Mönche im Kloster leben. Vor allem durch die Heiligsprechung Maximilian Kolbes, ist Niepokalanów ein beliebter Marienwallfahrtsort geworden. Ich bin übrigens auf den Ort und seinen Ursprung nur aufmerksam geworden, weil mir die Kirche ins Auge fiel, die ich vom Baustil her der neuen Sachlichkeit, also in die 1930er Jahre, zuordnen würde. Wie ich dann gelesen habe, stammen die Pläne für den Bau der Basilika tatsächlich aus den 1930er Jahren. Als die Deutschen dann 1939 Polen überfielen und besetzten, waren lediglich die Fundamente fertiggestellt. So ruhte der Weiterbau bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Bau der Kirche wurde dann in den Jahren 1948-1954 vollendet. Leider kann ich die Basilika nicht besichtigen, weil gerade Gottesdienst ist. Der Besuch muss aber wohl auch unter architektonischen und künstlerischen Gesichtspunkten lohnend sein. Im April 1980 verlieh Papst Johannes Paul II. der Kirche den Ehrentitel einer Basilica minor während im März 2004 durch Dekret von Kardinal Józef Glemp die Basilika in Niepokalanów in den Rang eines Heiligtums erhoben wurde.
Ich fahre weiter und leider führt die Strecke eine Zeitlang nun auch über Waldwege durch ziemlich unwegsames Gelände. Zum ersten Mal nach langer Zeit stürze ich auch tatsächlich mal wieder vom Fahrrad als ich in eine Rinne ausrutsche und mit meinem Gefährt umfalle. Es ist aber nichts passiert. Bald erreiche ich aber dann mein Ziel, das Hotel Chopin in der Stadt Sochaczew. Es ist ziemlich viel Trubel in dem Hotel. Mehrere Kaffeegesellschaften haben das Restaurant und einige andere Räumlichkeiten belegt. Die vorhandene Sauna ist leider geschlossen. Ich werde aber freundlich empfangen, auch wenn die Verständigung schwierig ist. Ich ruhe mich erst einmal auf meinem schönen und geräumigen Zimmer aus. Mein Abendessen nehme ich dann im Hotelrestaurant ein. Ich hatte vorher schon einen Platz reserviert.
Tagesstrecke: 61,48 Km