Tagesstrecke: 58,69 Km; 12,82 Km/h; 455 Hm
Ein wunderschöner Tag. Sonne pur und obwohl es kälter geworden ist, die Temperaturen bleiben unter 10 Grad, bleibt es doch sehr angenehm. Fantastisches Wetter bei einer Fahrradtour. Strecke selbst war sehr schön oder wurde es auch durch die Sonne. Die farbige Herbstlandschaft Mecklenburgs und Brandenburgs ist schon etwas Besonderes.
Doch fangen wir den Tag von vorne an. Gestern war ich aus verschiedenen Gründen ziemlich erschöpft. Ich bin schon um 20 Uhr ins Bett gefallen und habe bis kurz vor 5 Uhr durchgeschlafen. Das hat gut getan und mich wirklich erholt. Ich habe dann mit meinen mitgebrachten Utensilien mir ein schönes Frühstück gemacht und hatte sogar noch Milch für den Kaffee dabei. Nach dem Frühstück habe ich dann meinen Reisebericht von gestern geschrieben und um 8 Uhr konnte ich mich schon auf den Weg machen. Heute lagen etwa 55 Kilometer vor mir. Wie immer wurden es etwas mehr.
Wie schon gesagt war es ein sonniger Tag, der dadurch noch angenehmer wurde, dass es gefühlt fast windstill war. Landschaftlich hat sich nicht viel geändert. Ich fuhr weiter durch die hügelige Endmoränenlandschaft auf und ab entweder durch Wälder oder durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet und an Dutzenden Seen vorbei, deren Namen ich mir nicht alle merken konnte. Ich habe es allerdings auch gar nicht erst versucht.
Neben meinem Zielort Neuglobsow am Stechlinsee waren die Highlights heute jenseits der Landschaft die Orte Wesenberg und das Dorf Seewalde. Wesenberg ist ein hübsches kleines Städtchen von etwa 3 Tsd. Einwohnern. Sehenswert ist sicher der Marktplatz auch mit dem ziemlich revanchistischen Denkmal, das an den Sieg der Deutschen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnert und diesen Sieg in die Folge der Völkerschlacht bei Leipzig stellt. Dieses Denkmal sagt sehr viel über die Gefühlslage in Deutschland noch 100 Jahre nach den Überfällen Napoleons in Deutschland aus. Ein solches Denkmal zeigt dann auch, dass wir uns heute glücklich schätzen dürfen, dass es nach 1945 gelungen ist, diese seinerzeit als Erbfeindschaft bezeichnete Epoche durch das Engagement von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle überwunden zu haben und heute eine mehr oder manchmal auch etwas weniger intensive aber stabile deutsch-französische Freundschaft zustande gebracht haben.
Sehenswert in Wesenberg ist schließlich noch die ist die Stadtkirche St.-Marien. Sie liegt in leicht erhöhter Lage südwestlich vom Marktplatz und ist heute auch nicht zugänglich. Ferner sehenswert ist die Burg Wesenberg, eine hochmittelalterliche Turmhügelburg auf einem Hügel im Nordosten der Stadt. Sie ist zwar auf dem Hügel recht malerisch anzusehen. Von der ursprünglichen Anlage sind aber nur noch der Bergfried und ein daran anschließender Rest der Umfassungsmauer erhalten.
Beeindruckt hat mich dann das Dorf Seewalde am Gobenowsee, das nur wenige Kilometer von Wesenberg entfernt erreicht wird. Es entstand im 19. Jahrhundert aus einer zu Drosedow gehörenden Dampfziegelei mit Landwirtschaft. Durch Erlass des Großherzogs erhielt 1904 der Ort den Namen Seewalde. Das Gut war eine Erbpachtstelle. Das zweigeschossige Herrenhaus stammt aus den 1920er Jahren. Es war nach 1941 Heil- und Erziehungsinstitut, wurde um 1949 verstaatlicht, später Internatsschule, dann Kindergärtnerinnenschule und danach Schulungs- und Erholungshaus der SED. Nach 1995 wurde das Gebäude an den evang. Lauenstein e. V. rückübertragen und eine Werkstätte für Behinderte entstand.
Die Selbstdarstellung des Vereins ist etwas umfassender als das, was man bei Wikipedia dazu finden kann. Durch die verschiedenen Initiativen in Seewalde entsteht ein vielfältiges Dorfleben. Einen Kernbereich bildet die Sozialtherapie – In vier Hausgemeinschaften leben derzeit 35 Menschen mit Hilfebedarf. Handwerkliche Werkstätten (Kerzenwerkstatt, Hofgruppe, Dorfküche…) bieten einen Arbeits- und Erfahrungsraum mit individuellen Möglichkeiten, tätig zu werden Im Waldorfkindergarten mit einer kleinen Krippe, einer Kindergartengruppe, einer Waldkindergartengruppe und dem Schulhort finden Kinder naturnahen, geschützten Raum, die Welt spielend zu entdecken. Die Waldorfschule mit jahrgangsübergreifendem Unterricht hat mittlerweile die Oberstufe erreicht. Der bio-dynamisch wirtschaftende Erdhof als bäuerlicher Familienbetrieb prägt das Dorfbild mit alten, bedrohten Nutztierrassen – von den Husumer Sattelschweinen, die Maran-Hühner bis zu edlen Angler-Rotvieh-Kühen. Trotz dieser umfassenden Aktivitäten wirkt das Gelände sanierungsbedürftig. Nicht zuletzt deshalb wird auch für Spenden geworben.
Noch liegt fast die Hälfte des Weges vor mir, aber es gibt nicht mehr viel zu erzählen als schon gesagt ist. Schließlich komme ich gegen 15 Uhr in Neuglobsow an und checke in der mir schon von einer letzten Reise vor einigen Jahren in der Pension Stechlinsee ein. Der urige Betreiber der Pension ist noch immer da und es hat sich auch nicht viel seit dem letzten Mal geändert. Als ich ihn nach den Möglichkeiten eines Abendessens frage, gibt er mir die lakonische Antwort: Alles geschlossen. Auch dieser Ort ist entgegen meiner Erwartungen schon in den Winterschlaf verfallen. Aber so ist der Betreiber: Irgendwie überlegt er sich eine Lösung und fragt, was ich davon halte. Er muss noch mal nach Fürstenberg zum Einkauf und würde mal mehrere Fertiggerichte mitbringen. Es kämen ja heute noch weitere Gäste zu ihm. Ich bestärke ihn darin, dieses Service für seine Gäste anzubieten und richte mich dann in meinem kleinen aber ordentlichen Zimmer ein. Früher war die Pension übrigens ein FDGB Ferienheim. Äußerlich hat sich auch nicht viel geändert, sage ich mal als Unwissender. Was ich besonders bemerkenswert an dem neuen Betreiber finde, ist dass er viele Getränke zur Verfügung stellt, man kann sich ein Bier zapfen, man kann sich Schokolade etc. und andere zweckmäßige Dinge wie Tempotaschentücher nehmen und alles geht über eine Kasse des Vertrauens. ALs ich vor einigen Jahren hier war, hätte ich nicht gedacht, dass er das wirklich durchhält. Aber es scheint sich bewährt zu haben, denn er macht es immer noch so.
Nachdem ich mich eingerichtet habe, mache ich eine Spaziergang durch den Ort. Es ist tatsächlich alles geschlossen. Sogar das Fontanehaus, eine altehrwürdige Gaststätte, wo auch der Schriftsteller selbst zweimal zu Besuch weilte, ist verschlossen. So wandere ich nun zum Stechlinsee, betrachte den Sonnenuntergang und male mir eine Geschichte aus wie der Alte mit mir spricht und wir uns über dies und jenes unterhalten.
Zurück in der Pension liegen schon die Fertiggerichte aus. Ich entscheide mich für Grünkohl mit einer Kohlwurst und mache sie mir in der Mikrowelle heiß. Nach dem Essen, zu dem ich mir ein selbst gezapftes Bier gönne, ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück und lasse den Tag Revue passieren.
Lieber Wolfgang, ich bin ganz überrascht, dass du schon wieder auf Reise bist.
Ich wünsche dir natürlich wieder eine schöne Reise.
Danke für den interessanten Bericht und die Fotos.
Liebe Grüße Steffi