Heute also ein fahrradfreier Tag. Das Frühstück in meiner Pension war recht ordentlich. Ich bekam ein Omelett, Weißbrot, Salami, Käse, Marmelade und auch Butter. Allerdings hatte man etwas den Eindruck, dass alles ziemlich abgezählt war. Es war nie reichlich vorhanden, sondern man bekam im ausgesprochenen Bedarfsfall nachgeliefert. Beim Kaffee ist das übrigens schon auf der gesamten Tour so. In manchen Unterkünften wird sogar ab der zweiten Tasse Kaffee gesondert berechnet Nur schwer gewöhnen kann ich mich an das immerwährende Weißbrot. Der Verzicht auf Vollkornbrot führt bei mir dazu, dass ich meistens schon zwei Stunden nach dem Frühstück wieder Hunger verspüre.

Nach dem Frühstück machte ich mich dann auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Zunächst stieg ich noch einmal aufs Unabhängigkeitsdenkmal hoch, weil die Sonne nun noch im Osten stand und das gute Fotos von der Stadt versprach. Tulcea ist übrigens auf sieben Hügeln erb aut. Was liegt da für die Rumänen näher als es mit Rom zu vergleichen. Nach dem morgendlichen Ausblick vom Unabhängigkeitshügel  ging es hinunter zum Hafen, wo die entsprechende Promenade sicher eines der lebendigsten Viertel der Stadt ist. Hier sieht man aber auch natürlich, dass auch Tulcea noch auf einem weiten Weg in die Moderne ist. Schon das Flanieren auf der Promenade ist beschwerlich, weil die Betonplatten langsam verfallen und man ständig aufpassen muss, dass man nicht umknickt. Ich ging eigentlich primär wegen der Touristeninformation dorthin. Ich hatte aber wieder ein ähnliches Erlebnis wie seinerzeit in Ruse. Besonders dienstleistungsorientiert scheinen die Mitarbeiter der Touristeninformationen nicht zu sein. Ich habe aber auch noch nicht erlebt, dass außer mir dort jemand drin war. Auf Nachfrage reichte man mir einen Stadtplan von Tulcea und als ich nach den Hauptsehenswürdigkeiten fragte, musste die Mitarbeiterin erst mal selbst auf dem Plan nachschauen. Draußen hatte ich auch noch Pläne für das Donaudelta und den Kreis Tulcea ausgehängt gesehen. Hier erfuhr ich dann, dass dieses Büro am Hafen nur eine Dependance sei, und um diese Pläne zu bekommen müsste ich dann doch in die Hauptstelle der Touristeninformation in der Stadt gehen, deren Lage man mir freundlicherweise im Plan ankreuzte. Die Touristeninformation, die ich dann später auich aufsuchte, war in einem sehr schön restaurierten etwas italienisch neorenaissancemäßig anmutenden Gebäude untergebracht aber nicht sehr reich bestückt. Hier war der Mitarbeiter sehr freundlich aber wohl auch erstaunt, dass er mal Besuch bekam. Er händigte mir dann auch die von mir gewünschten Pläne aus.

Leider gelingt es den Rumänen hier noch nicht wirklich, ihre Stadt zu vermarkten. Der Vergleich mit Rom reicht da wohl noch nicht aus. Einen Überblick über die Geschichte der Stadt oder die aktuelle Situation, eine etwas genauere Beschreibung der Sehenswürdigkeiten und viele Sehenswürdigkeiten selbst wird man hier nicht finden. So finden beispielsweise weder die sehr sehenswerte Synagoge noch die Moschee eine nennenswerte Erwähnung. Selbst die orthodoxe Kathedrale findet keine hinreichende Beschreibung.

Tulcea ist schon seit dem Altertum eine bedeutende Hafenstadt und dass es dabei nicht nur um Flussschiffahrt geht, sondern man die Nähe zum Schwarzen Meer erkennt, sieht man schon an den hier passierenden Schiffen, die sicher nicht mehr allzu weit die Donau hinauffahren können. Seit dem 1 Jhd. hatten sich die Römer wie ja überall an der Donau hier festgesetzt und Legion stationiert. Später stand die Stadt dann unter wechselnder Herrschaft durch Byzanz (5. Und 6. Jhd.), Bulgarien (6. Bis 10. und 12. Bis 14. Jhd.), Genua (vom 10. Bis 13. Jhd.) und lokale Königreiche wie das bulgarische Despotat Dobrudscha sowie die Walachei unter Mircea cel Batran. Vom Jahr 1416 bis 1878 stand Tulcea unter der Herrschaft des osmanischen Reiches.

Tulcea ist auch heute noch eine wichtige Industriestadt, auch wenn nach der Wende viele Arbeitsplätze weggefallen sind. Hervorzuheben sind die Werften und die Textilindustrie. Drüber hinaus gibt es in Tulcea eine große Aluminiumhütte. Diese musste aber nach der Wende wegen Umweltproblemen erst mal ihre Produktion einstellen. Seit 2002 wurde die Aluminiumherstellung aber wieder aufgenommen, nachdem sich ein russischer Investor gefunden hatte. Die Herstellung erfolgt zurzeit wohl in kleineren Mengen, weil man noch damit beschäftigt ist die Anlagen zu modernisieren. Seit den 1990 Jahren wurde der Tourismus insbesondere im Hinblick auf das Donaudelta zu einem neuen wichtigen Wirtschaftsfaktor. So kann man gerade vom Hafen aus die neuen prachtvollen Hotels wie das Delta und das Esplanada bestaunen, aber auch die unzähligen Anbieter für Bootsfahrten ins Donaudelta. Soviel als kurzer historischer und wirtschaftlicher Steckbrief zu Tulcea.

Da es heute doch schon sehr warm ist und ich bei Temperaturen um die 28 Grad doch eine gewisse Bewegungsmüdigkeit verspüre, lasse ich es langsam angehen, besichtige die spärlichen Hauptsehenswürdigkeiten und noch die weiteren, die ich als solche ausmache und lasse mich aber doch häufiger in einer der zahlreichen Bars nieder, die hier auf dem Balkan offensichtlich zum Lebensgefühl gehören. Neben den Sehenswürdigkeiten mache ich auch einem Bummel über einen Markt und erfreue mich an den zum Teil doch sehr skurrilen Angeboten wie Wein zu 6 Lei (1,30 €) der Liter in zwei oder fünf Liter Plastikflaschen und auch Kramständen mit gebrauchten Fahrradschläuchen, Fahrradreifen und Fahrradfelgen sowie einer Unzahl von Fahrradpumpen, die man hier wohl öfter braucht. Bei meinen Streifzügen frage ich mich immer wieder, was ist eigentlich das Besondere in den drei Lndern, die ich nun bereist habe. Für alle drei gilt eigentlich, dass die Menschen auf ihr Äußeres nicht sonderlich viel Wert legen oder Wert legen können. Das Frauen oder Männer in irgendeiner Weise chic gekleidet sind, kann man nun wirklich nicht behaupten. Die Kleidung hat überwiegend Discountqualität. Was in Rumänien aber auffällt, sind die erheblich neueren und auch hochwertigeren Autos, die hier rumfahren. Insbesondere SUVs, nicht unbedingt der Luxusklasse aber immerhin, scheinen sich großer Beliebtheit zu erfreuen. Auffällig ist aber auch, dass die Rumänen offenbar mehr Wert auf das äußere Erscheinungsbild ihrer Häuser legen als zumindest die Bulgaren. Hier gibt es auch bein ganz einfachen Häusern durch Anbauten und Farbgestaltung wahre Schmuckstücke.

Obwohl Tulcea sicher einige hübscher, interessante und sehenswerte Ecken, Häuser und Bauwerke hat, würde das allein sicher aber kaum einen Besuch oder gar eine weite Reise rechtfertigen. Tulcea ist aber natürlich das Tor zum Donaudelta, einem der größten Biosphärenreservate Europas, das von der UNESCO 1993 in die Weltnaturerbeliste aufgenommen worden ist. Tulcea hat also schon von daher seinen Reiz. Darüber dann aber morgen mehr.

Ein Kommentar

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang,
    ganz herzlichen Glückwunsch zu dieser großartigen Leistung. Nun ist es geschafft und Du bist am Schwarzen Meer angekommen. Es muss ein tolles Gefühl sein!
    Ich wünsche Dir noch erholsame Tage und eine gute Rückreise. Danke für die interessanten Berichte. Es war einfach spannend, Deinen Weg mit zu verfolgen.
    Herzliche Grüße.
    Regina

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