29. Tag: 16. Mai 2023 – Von Koden nach Okuninka

Heute hat sich das Wetter wieder zum Besseren gewendet. Der Himmel bleibt den Ganzen Tag heiter bis wolkig und die Temperaturen steigen wieder auf um die 19 Grad. Insofern ist die Perspektive für unsere gemeinsame Tour doch sehr positiv. Wir frühstücken zunächst, dann wird zusammengepackt und dann machen wir noch ein gemeinsames Erinnerungsfoto auf der Hollywoodschaukel hinter dem Haus. Interessant wie unterschiedlich man sich doch bei gleichem Wetter kleiden kann. Darek trägt unten kurz und oben lang, bei mir ist es umgekehrt.

Zunächst wollen wir noch mal in den Ort Koden hineinfahren und uns die orthodoxe St. Michaels-Kirche und die katholische St.-Annen-Kirche ansehen. Die orthodoxe Kirche ist leider verschlossen. Sie wurde bereits 1910 gebaut, sieht aber fast neu aus und wurde wahrscheinlich in den letzten Jahren umfassend saniert. Die St.-Annen-Kirche wurde in den Jahren 1629–1635 erbaut und und im achtzehnten Jahrhundert durch den Westturm mit äußerst reicher Stuckdekoration erweitert. Es ist insgesamt schon von der Größe her ein beeindruckendes Bauwerk. Sein bedeutendstes Kunstwerk ist wohl die Mutter-Gottes-Ikone aus dem Jahre 1630, das gerade restauriert wird, aber dennoch sichtbar bleibt. Das Kloster des Oblatenordens neben der Kirche, wo wir auch gestern essen waren, betreut wohl auch die St.-Annen-Kirche.

Bei unserer Besichtigung stellen wir fest, dass Koden noch einiges mehr zu bieten hätte, aber dafür fehlt uns die Zeit. Wir fahren also wieder zur 816 und auf ihr weiter nach Süden. Nach etwa 10 Kilometern führt ein Abzweig weg von der 816 zum Kloster Jablecznaa. Es liegt etwa drei Kilometer ab von der 816 direkt am Bug, den wir allerdings nicht zu Gesicht bekommen. Den Tipp hatte Darek von dem Mann unserer Vermieterin bekommen. Das St.-Onufry-Kloster in Jabłeczna ist vermutlich das älteste orthodoxe Objekt in Polen. Seine Anfänge gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. Der Legende nach habe der heilige Onufry selbst den Ort, an dem das Kloster errichtet werden sollte, gewählt. Er soll am Ufer des Flusses Bug Fischern erschienen sein und gesagt haben: „An dieser Stelle werdet ihr meinen Namen preisen.“ Hier fanden die Fischer auch eine Ikone mit dem Bildnis des hl. Onufry und begründeten in einer Einsiedelei die erste Ordensgemeinschaft. Im Laufe der Jahre bauten die Ordensbrüder die Einsiedelei zu einem Kloster aus.

Das Kloster ist inzwischen gut saniert worden, zum Teil auch aus EU-Mitteln. Insofern ist es schon hübsch gelegen und anzusehen. Es ist interessant, welche Zahl von orthodoxen Heiligtümern und Gebetsstätten hier im Osten Polens zu finden sind. Leider ist mal wieder fast alles verschlossen. In die Kirche kann man wenigstens einen Blick durch ein Gittertor werfen. Nach dem wir einen Rundgang gemacht haben, verweilen wir noch an einer sehr alten Eiche direkt vor dem Kloster. An ihr sind zahlreiche orthodoxe Devotionalien angeheftet. Sie scheint also eine ähnlich Bedeutung wie der Heilige Berg von Grabaka zu haben. Auf der 816 ist dann unsere nächste Station die kleine Stadt Stawatycze. Kurz vor Slawatycze legen wir aber eine halbstündige Mittagspause ein und Darek kocht auf seinem mitgebrachten Campingkocher Kaffee für uns. Wir passen uns zunehmend aneinander an und lernen auch die Vorteile des Tuns des jeweils anderen kennen.

Auf dem Marktplatzes in Slawatycze ragen zwei eindrucksvolle Kirchenbauten hervor. Auf der Nordseite befindet sich eine gemauerte orthodoxe Pfarrkirche, die dem Schutz der Gottesmutter gewidmet ist und an der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert erbaut wurde. Gegenüber befindet sich die Pfarrkirche Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz im Neorenaissancestil aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert.

Ein Stück weiter entdecken wir dann auf einem anderen Platz drei hölzerne aufgestellte Bartmänner. Diese Bartmänner entsprechen wohl einer Tradition der Gegend. Sie gehen in den Tagen kurz vor dem Jahreswechsel von Tür zu Tür und wünschen ein Gutes Neues Jahr. Auf dem weiteren Weg kommen wir dann auch in Hanna vorbei, wo ein Freilichtmuseum mit alten traditionellen Holzbauten entstanden ist. Wir schauen und kurz um, aber dann geht es auch schon weiter.

Nach weiteren 20 Kilometern erreichen wir die Stadt Wlodawa. Sie gehört mit ihren 12 Tsd. Einwohnern schon zu den größeren Städten der Region. Wlodawa wirbt für sich mit dem Slogan „Stadt der drei Kulturen“. Dies bezieht sich auf Katholiken, Christen und Juden. Auch wenn ich glaube, dass wenig für einen noch lebendige jüdische Kultur in Wlodawa spricht, ist es doch ein guter Ansatz, diese ehemaligen Kulturen in Erinnerung zu behalten.

Repräsentiert wird dieser kulturelle Anspruch durch drei lebensgroße Holzfiguren, die an verschiedenen Stellen der Stadt aufgestellt sind: Ein katholischen Priester in weißer Soutane, ein orthodoxer Priester und ein jüdischer Rabi in schwarzer bzw. dunkler Soutane bzw. Kleidung. Kritisch anzumerken ist, dass der römisch katholische Priester in weiß doch visuell deutlich sich hervorhebt. Ob das etwa beabsichtigt war? Repräsentiert wird der Anspruch durch drei gut restaurierte Kirchengebäude. Da ist die katholische Kirche St. Ludwig, die wir auch kurz besichtigen können. Auch die orthodoxe Kirche ist von außen schon sehr schön restauriert, als ich aber die Tür öffne schaue ich im Inneren auf eine Baustelle, die noch keinerlei Glanz für die Zukunft erkennen lässt. Dazu werde ich dann auch gleich von einer Frau mit sehr wenigen Zähnen im Mund ziemlich scharf angemacht und Darek erklärt mir mit einem süffisanten Lächeln, das sie mir nur mitteilen wolle, dass die Kirche geschlossen sei. Auch von außen darf ich nun nicht weiter fotografieren, sondern soll vom Gelände verschwinden. Gut, bei diesen Zähnen hätte ich auch dauernd schlechte Laune. Schließlich kommen wir noch zur Synagoge, die aber seit einer halben Stunde geschlossen hat. Die Synagoge dienst heute als Regionalmuseum, schon dies ein Indiz dafür, dass es auch in Wlodawa aktuelle keine jüdische Gemeinde gibt.

Auf dem Weg rund um die Synagoge kommt Darek mit einigen Einwohnern ins Gespräch. Ich bin immer wieder fasziniert, mit welcher Lockerheit er das Gespräch mit auch für ihn wildfremden Menschen sucht und führt. Das würde ich noch nicht mal in Deutschland schaffen. Mit einer alten Frau wird es ein längeres Gespräch. Da ich natürlich nichts verstehe, erzählt er mir hinterher davon. Die Dame sei 87 und er habe sie gefragt, was sie denn von der Werbung ihrer Stadt als Stadt der drei Kulturen halte. Sie sieht das wohl positiv. Darek fragt sie dann nach den Juden und sie reagiert etwas unwillig, weil niemand Geld habe, um etwas zu erneuern. Nur die Juden könnten dreimal im Jahr ihre Synagoge sanieren oder streichen. Nein, mit den Juden könne sie nichts anfangen. Als Darek nachfragt warum, gibt die alte Dame die tiefsinnige Antwort: Juden halt!

Dann verlassen wir die Stadt und nehmen unser heutiges Ziel in Angriff, die kleine Touristenstadt Okuninka am Biale See. Das sie lediglich eine Touristenstadt ist, merkt man daran, dass sie im Moment wie eine tote Stadt wirkt. Kein Lebensmittelgeschäft und kein Restaurant hben offen. Unser Bedürfnis, noch ein Bier für heute Abend zu erwerben, ist schlichtweg nicht möglich. Wir erreichen dann das Hotel Panorama, was Darek gestern bei erfolgreichen Verhandlungen von 185 PLN auf 130 PLN pro Person heruntergehandelt hat. Was das Wichtigste ist, wir bekommen auch noch für 25 PLN ein Abendessen, was aus Spaghetti mit Fleischsauce und Brot mit Wurst und/oder Käse besteht. Dazu können wir auch hier noch Bier erwerben.

Nach dem Abendessen machen wir noch einen Spaziergang entlang dem See. Aber zunächst vertreiben uns die Mücken schon vom See weg und schließlich kehren wir auch auf der Straße um, weil wir uns der Mücken nicht mehr erwehren können. So endet der Abend, weil ich sehr müde bin und Darek um Verständnis bitte, dass ich mich auf mein Zimmer zurückziehen möchte.

Tagesstrecke 62,44 Km; 13,51 Km/h; 149 Hm

 

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