Wieder ein recht sonniger Tag und Temperaturen um die 22 Grad. Die Nacht war recht kurz, weil das Hostel recht hellhörig war. Auch das Frühstück war nicht nach meinem Geschmack. Es gab nur Toastbrot, Butter und Marmelade. Interessant ist natürlich, was man für Leute in einem solchen Hostel kennenlernt. Gestern reiste noch eine Frau aus Halle an. Zwei Australier sind hier, drei Rumänen und sehr viele Asiaten. Nicht alle sind wegen des Jakobsweges hier. Die Rumänen und die Australier interessieren sich sehr für mein Fahrrad, dabei sind die Rumänen sogar mit E-bikes unterwegs. Eines ist aber bereits defekt. So kommt man über dies und jenes ins Gespräch. Auch als einer der Rumänen, als mich ihre Frage als Deutscher oute, mir freudestrahlend die erste Strophe des Liedes der Deutschen vorsingt, er kennt allerdings nur die eine Zeile, mache ich ihnen schon deutlich, dass ich das recht unpassend finde und erkläre auch warum. Nämlich dass der Text eigentlich lediglich die Vereinheitlichung Deutschlands beschwor und nicht als Grundlage für eine expansive, hegemonistische und aggressive Politik gegenüber anderen Staaten gedacht war.
Der Weg aus Pamplona raus ist erst mal recht verkehrsreich. Nach etwa 12 Kilometern führt der Weg dann über die alte Nationalstraße 1110, die inzwischen durch eine Autobahn ersetzt wurde. So lässt sich hier über weite Strecken bei wenig Verkehr sehr gut fahren. Allerdings geht es auch wieder öfters ziemlich bergauf, einmal bis auf 700 Meter und ich komme bei ca. 50 Kilometern Gesamtstrecke heute wieder auf über 700 Höhenmeter. Die iberische Halbinsel ist halt sehr bergig und das wird sich auf meiner Fahrt nach Santiago mit Sicherheit kaum ändern. Aber die Landschaft ist sehr vielfältig und eindrucksvoll. Das tröstet dann über die Steigungen hinweg. Zunächst sieht man immer und überall zumindest am Horizont Berge und Gebirge. Prägend ist das kantabrische Gebirge, das auf 500 Kilometern Länge die Pyrenäen fortsetzt und sich an der Atlantikküste der Biskaya entlangzieht. Auch dieses Gebirge bringt es bis auf 2600 Meter. Die Berge haben auch oft eine ziemlich schroffe Form und der nackte Fels schaut in vielfältigen Formationen hervor. Ansonsten ist die Landschaft sehr vielseitig. Viele Wälder, an unwegsamen Stellen tundraartig, sonst aber Weinfelder, zunehmend Olivenplantagen, aber auch Getreidefelder und Wiesen. Die , meist an prominenter Stelle auf Hügeln und Kuppeln ragen wie kleine Schmuckstücke ins Land.
Der Hauptort auf meiner heutigen Tour ist sicher Puente la Reina mit seiner uralten gleichnamigen Brücke, die schon im frühen 11. Jahrhundert errichtet wurde und den Rio Arga hier überspannt. Sie wurde extra für die Pilger errichtet, um sie vor den unzuverlässigen und halsabschneiderischen Fährschiffern zu entlasten. Zwei sehenswerte Kirchen sind die Iglesia de Santiago und die zu einem Kloster gehörende Iglesia del Crucifijo. Hier in Puente la Reina lege ich dann auch eine Mittagspause ein. Vor Puente la Reina stößt übrigens der letzte Pilgerweg auf den eigentlichen Jakobsweg, der aus Arles über den Somportpass kommende vierte französische Zubringer, der, weil er Toulouse berührt, via tolosana genannt wird. Darauf wird durch ein Denkmal an der Straße hingewiesen.
Von Puente la Reina geht es dann noch etwa 20 Kilometer an mein heutiges Ziel Estella. Ich habe dort in einem Hostel und zum ersten Mal auch in einem größeren Schlafsaal gebucht. Ich lege zunächst nur mein Gepäck ein bzw. schließe es in dem mir zugewiesenen Schrank ein und mache mich auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Die Stadt war zwar schon seit der Römerzeit besiedelt. Aber 1090 wurde die Stadt von dem navarresischen König Sanchos V. mit der Absicht gegründet, einen sicheren Ort für Pilger und Handel zwischen den Orten Pamplona und Najera zu schaffen. Gleichzeitig wurde Estella auch für längere Zeit königliche Residenzstadt und profitierte davon und von der Lage am Jakobsweg. So wurde Estella zu einem der wichtigeren und wohlhabenderen Orte der Region. Dennoch behielt der Ort seinen mittelalterlichen Charakter. Hier sind im Laufe der Zeit zahlreiche Kirchen aber auch sonst bauhistorisch bedeutende Gebäude wie Renaissance- und Barockpaläste entstanden.
Auf meinem Spaziergang durch die Stadt, betrachte ich mir drei Kirchen etwas genauer. Es ist zum einen die Iglesia de Santo Sepulcro mit ihrer herausragenden gotischen Fassade, die Iglesia San Miguel, quasi das Nachbarhaus meines Hostels, besticht durch ihren schlichten Baustil, der romanische und gotische Elemente vermischt und auf der Nordseite ein reich verziertes Portal besitzt, an dem Reliefs mit Szenen der Auferstehung und des Kampfes des Erzengels Michael zu sehen sind. Die sicher bedeutendste dieser drei Kirchen ist aber die Iglesia de San Pedro de la Rúa. – Sie ist aber bis 18 Uhr geschlossen. So bringe ich dann doch erst einmal meinen erworbenen Proviant ins Hostel und mache mich dann noch einmal auf den Weg. Die Kirche liegt auf einem Felsen oberhalb des Königspalastes und des Alten Rathauses und wenn man das so sieht, kann man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen wie jemand auf die Schnapsidee kommen konnte, hier eine Kirche zu bauen. Bedeutend ist die Kirche aber vor allem wegen ihres Portals, dass wohl auch maurische Stilelemente aufgegriffen hat und wegen des mit zwei Seiten noch erhaltenen Kreuzgangs. Den Abend ausklingen lasse ich dann schließlich bei einer Pizza auf der Plaza de los Fueros.
Auch wenn ich mich nach wie vor nicht dafür begeistern kann, mit mehreren Menschen, die ich im wesentlichen nicht kenne, in einem Raum zu übernachten, macht das Hostel im übrigen einen sehr guten Eindruck. Jeder hat seine Bettenbox, darin einen verschließbaren Metallkasten, in dem man Wertsachen deponieren kann. Auch für das Gepäck gibt es für jeden jeweils zwei verschließbare Boxen. Ich bekomme also mein Gepäck relativ gut und sicher unter. Die Hostelbetreiber, ein jüngeres Ehepaar so Mitte dreißig bis vierzig, sind sehr engagiert und hilfsbereit. In meinem Raum übernachten acht Reisende, die wohl alle auf dem Jakobsweg unterwegs sind. Vier sind Asiaten, wobei ich mich nicht der allgemeinen Auffassung anschließen möchte, dass das alles Koreaner sind. Aber das will ich ja versuchen noch einmal herauszufinden. Die Koje schräg über mir ist von einer jungen Amerikanerin aus New Hampshire belegt. Sie ist ganz erstaunt, dass ich New Hampshire kenne, weiß wo es liegt und sogar schon einmal durchgefahren bin. Die Koje hinter mir ist von Heike aus Köln belegt. Sie hat nur 14 Tage Zeit, ist am Samstag in Roncesvalles gestartet und will sehen wie weit sie kommt. Ich freue mich, mit ihr mal wieder einen deutsch sprechenden Gesprächspartner unter den Reisenden zu finden und die Beziehung zu Köln ist natürlich auch ein breites Themenfeld für uns. Sie erzählt auch, dass sie am Sonntag gleich den großen Regen noch mitbekommen hat, der offensichtlich tatsächlich am Ausgang der Pyrenäen zu Überschwemmungen geführt hat und an einer Stelle musste sie sogar durch kniehohes Wasser wandern. So ist der Abend noch mit interessanten Gesprächen und bei einem Glas Rotwein abgeschlossen worden.
Tagesdaten: 50,61 Km; 04:36:33 Std. Fz.; 10,98 Km/h; 740 Hm