Vor allem habe ich heute sehr gut geschlafen und fühle mich wieder fit. Ich mache einen kleinen Spaziergang zu einer nahegelegenen Bar/Cafeteria, wo ich mir ein Frühstück zusammenstelle aus zwei Tassen Kaffee, Tortilla mit Patatas (Kartoffeln) und ein Blätterteigstückchen mit Schokolade. Die Spanier scheinen ähnliche Frühstücksgewohnheiten zu haben wie die Italiener. Wichtig ist vor allem der Kaffee bzw. Espresso.
Nachdem ich meine Sachen wieder verpackt habe geht es los. Die Nacht hat es wohl ziemlich geregnet und die Wetterapp zeigt auch ein großes Regengebiet, dass aber inzwischen durchgezogen ist. Der Boden ist allerdings noch nass. Zunächst mache ich noch eine kleine Rundfahrt durch Logroño, um noch einmal auf den Ebro zu blicken, den ich wohl hier das einzige Mal auf meiner Tour sehen werde. Außerdem fahre ich noch einmal an der Iglesia San Bartholomé vorbei, die ich gestern nur sehr flüchtig betrachten konnte. So komme ich erst nach 10 Uhr aus Logroño raus.
Heute ist der Tag der La Rioja. Ich fahre also durch mein Weingebiet meines Lieblingsweines. Man kann auch leicht erkennen, dass der Wein der Rioja ihr Hauptwirtschaftsfaktor ist. Überall Weinfelder und Weingüter. Letztere sind sehr modern und sehen insofern ganz anders aus als noch in Frankreich oder Navarra. Auch die Weinstöcke sehen hier anders aus. Sie wirken auf mich eher wie Bonsaibäumchen. Wie man einen Weinstock wachsen lässt, nennt man wohl Erziehung und wenn ich richtig recherchiert habe, muss man für diese Art der Weinstöcke von Buscherziehung sprechen.
Mein Weg führt mich bei nach wie vor trüben Wetter aus Logroño heraus auf einem asphaltierten Weg, den auch die Fußpilger benutzen. Jetzt am Morgen ist hier doch einiges unterwegs. Vorbei geht es an dem kleinen, wohl aufgestautem See Pantano de la Grajera, der wohl vor allem als Wasserreservoir zur Bewässerung auch der Weinfelder dient, inzwischen aber auch als Naherholungsgebiet entwickelt wurde. Danach gibt es erst einmal eine doch recht heftige Steigung, bis ich Navarrete erreiche. Navarrette war einst eine bedeutende Festung am Jakobsweg und ist heute ein idyllischer, in Weingärten eingebetteter denkmalgeschützter Ort. Zu Beginn fährt man an den Ruinen des ehemaligen Pilgerhospizes vorbei, hinter denen sich heute das moderne Gebäude des Weingutes San Jacobo erhebt. Ich mache noch einen kurzen Abstecher zur Iglesia de la Asunción (Himmelfahrtskirche), die ein spätgotischer Bau mit einem wieder mal gewaltigen Barockaltar aus dem 16. Jahrhundert ist.
Weiter geht es dann auf Nebenstraßen in Schleifen durch die Weinberge. Weinberge ist vielleicht das falsche Wort, weil hier eigentlich keine Berge sind. Es handelt sich eher um eine stark hügelige Hochebene, die aber auch von Ost nach west immer höher wird. Nächste Station ist dann die kleine Stadt Nájera, die einstmals auch schon Residenzstadt des Königreichs Navarra war. Hier halte ich mich allerdings nicht lange auf, obwohl auch dieser Ort wohl einiges zu bieten hätte. So befindet sich in dem Kloster Santa Maria la Real auch eine Grablege der Könige von Navarra. Auffällig ist der hier vorherrschende rote und wohl sehr weiche und poröse Sandstein. In die Felsen hat man Höhlen gegraben, die von den hier lebenden Menschen als Vorratskammern genutzt wurden. Mein Weg ist dann irgendwann gesperrt, weil einer dieser Felsen auf die Straße gestürzt ist. Betrachtet man die durch den Asphalt gebrochene Vegetation, so muss das aber schon einige Zeit her gewesen sein. Ich suche mir also eine Umfahrung, die mir heute zusätzliche vier Kilometer einbringt.
Von Najera geht es dann erst einmal auf der nicht sehr stark befahrenen N-120 entlang der Autobahn, bis ich dann bei Azofra wieder über Nebenstraßen durch Weinfelder fahre. Die Straße steigt fast unmerklich an. Auf den acht Kilometern zwischen Azofra und Canas geht es immerhin von 550 auf 650 Meter hoch. Ab Canas geht es dann aber steil bergauf bis Manzanares auf etwa 800 Meter. Hier verändert sich dann auch die landwirtschaftliche Nutzung. Die Weinfelder verschwinden und nun fahre ich durch Getreidefelder, die überwiegend noch im Halm stehen. Einige Rapsfelder beginnen allerdings schon zu blühen. Dann geht es aber noch einmal etwa 10 Kilometer abwärts in die hübsche Kleinstadt Santo Domingo de la Calzada, meinem heutigen Ziel, wo ich in der Pension Miguel, wieder eine normale Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, von der Besitzerin freundliche empfangen werde. Faszinierend, wie sie mir mit einem Stadtplan auf spanisch alles Notwendige erklärt. So erfahre ich, wo ich abends am besten essen gehe, naheliegend unten im Haus gibt es eine Tapas-Bar, wo ich morgen früh frühstücken kann, wo der nächste Supermarkt ist, wo die Kathedrale und wie lange sie geöffnet ist usw. Trotz der ausschließlich spanischen Erläuterungen, bekomme ich so aber einen guten Überblick über das, was ich zur Gestaltung meines Aufenthaltes wissen sollte.
Anderes erfahre ich aus meinen kulturellen Wegbegleitern. So hat die Stadt ihren Namen von dem Heiligen Santo Domingo de Viloria (1019-1109) erhalten. Santo Domingo gab zum Ende des 11. Jahrhunderts sein Eremitendasein auf , um sich den sicheren Wegen der Jakobspilger zu widmen. Er sorgte für den Bau von Wegen, einer Brücke über den Rio Oja und einer Pilgerherberge. Als Gegenleistung schenkte ihm König Alfonso VI. ein Grundstück zum Bau einer Kirche, die noch heute sein Mausoleum beherbergt. Die Stadt profitierte sehr von dem Engagement Domingos. So entwickelte sich ein reges Markttreiben und der Ort wurde bereits im 13. Jahrhundert zum Bischofssitz.
Nachdem ich mich in meinem Zimmer eingerichtet habe, mache ich einen Spaziergang durch die denkmalgeschützte Altstadt. Sie ist mit ihren engen Straßen und Gassen noch weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Hier sind viele kleine Geschäfte untergebracht, die insbesondere den Bedürfnissen der zahlreichen Touristen und Pilger Rechnung tragen. Zentrale Plätze der Altstadt sind die Plaza Espana mit dem Rathaus und die Plaza del Santo mit der Kathedrale und dem ehemaligen Pilgerhospital, dass heute als Parador genutzt wird, also als ein recht hochklassiges Hotel, wie man sie in Spanien öfters in historischen Gemäuern findet. Die Kathedrale Santo Domingo de la Calzada ist natürlich ursprünglich ein romanischer Bau aus dem 12. Jahrhundert mit charakteristischen gotischen Erweiterungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Der getrennt stehende Glockenturm wurde erst 1762 bis 1766 im Stil des Barock erbaut, nachdem die beiden Vorgängertürme zerstört worden waren. Die Besichtigung der Kathedrale muss ich mir allerdings für morgen aufheben, weil sie heute schon wegen einer Messe für sonstige Besucher nicht mehr geöffnet ist. Sie gehört aber ausweislich meines Kulturführers zu den Hauptsehenswürdigkeiten des Jakobsweges und, was ich darüber gelesen habe, bestärkt mich darin, mir diesen Kirchenbau etwas genauer anzuschauen.
Den Abend beschließe ich dann in der Tapas-Bar unter meiner Pension. Es schmeckt hervorragend, wenn auch das, was hier angeboten wird in unserem Sinne eher als Canapés anzusehen ist.
Tagesdaten: 63,58Km; 05:58:49 Std.Fz.; 10,63 Km/h; 832 Hm