Das Thema der gestrigen Unterkunft habe ich dann doch über Nacht abgehakt. Der Vermieter merkt mir meine Unzufriedenheit an, allerdings gibt er vor, meine Kritik nicht zu verstehen und zuckt die Schulter. Er bietet mir sogar an, mir das Abendessen einzupacken und mir mitzugeben. Da schüttelt es mich geradezu. Allerdings gibt er sich beim Frühstück nun etwas mehr Mühe. Ich bekomme in etwa das, was ich bestellt habe: Brot zwei Scheiben Wurst und Marmelade. Lediglich der Käse fehlt. Dafür bietet er mir noch zwei weitere Brötchen an, die ich mit Marmelade beschmieren und mitnehmen soll. Ach, wie kann man so jemandem böse sein? Ich glaube er weiß es ohne hin nicht besser. Geschäftstüchtig ist er aber doch und schließlich bekomme ich die gesalzene Rechnung vorgelegt, mit einem EURO Nachlass beim Abendessen. Natürlich kann ich dagegen nicht viel machen. Meine Bemerkung, dass ich das ziemlich hoch fände, versteht er natürlich nicht. Ich begleiche also die Rechnung und sehe zu, das Quartier möglichst schnell zu verlassen.
Bei Verlassen des Geländes kommen drei ältere Frauen, die offensichtlich die Putzkolonne meines Vermieters sind. Da wundert mich der Grad der Unsauberkeit des Hauses dann auch nicht mehr. Schwamm drüber. Heute liegt erst einmal eine der spannendsten Streckenabschnitte des Donauradweges vor mir: Das Eiserne Tor. Ich habe die Strecke heute so gewählt, dass ich mir viel Zeit lassen kann. Das Eiserne Tor erstreckt sich auf einer Strecke von etwa 10 Kilometern und bildet hier eine riesige Felsschlucht mit bis zu 500 Metern steil aufragenden Felswänden zwischen denen die Donau auf bis zu 200 Metern verengt wird und dort mit bis zu 90 Metern die höchste Flusstiefe der Welt aufweist. Bis zum Bau des Kraftwerkes und der Staumauer Eisernes Tor 1 war es für die Schifffahrt die gefährlichste Strecke auf der Donau. Durch den Bau des Staudamms und der damit verbundenen Anhebung des Wasserspiegels hat sich die Situation wohl deutlich entschärft. Dennoch hat sich dadurch die Engstelle nicht erweitert.
Auf der Strecke ist sowohl auf der serbischen als auch auf der rumänischen Seite wenig mehr Platz als für die Straße. Auch für diese mussten etwa ein halbes Dutzend Straßentunnel errichtet werden. Dabei steigt die Straße dann noch über 4 Kilometer bis Golo Brdo um 200 Meter an. Von da oben hat man natürlich eine phantastische Aussicht, insbesondere auf einige sehr malerische Sehenswürdigkeiten auf der rumänischen Seite. So steht hier mitten im Eisernen Tor das pittoreske kleine Kloster Mraconia und nur einige hundert Meter weiter das gigantische Felsenbild des Kopfes des dakischen Königs Decebalus-Rex, der im 1. Jhd. n.u.Z. regierte und den ein rumänischer Historiker und Geschäftsmann hier in den Jahren 1994 bis 2004 durch 10 Bildhauer und mit einer Millionen EURO verewigen ließ. Das Felsenbild gilt mit 55 Metern bis heute als die höchste Felsskulptur Europas.
Ich lasse mir viel Zeit und halte an allen möglichen und unmöglichen Aussichtspunkten an, um die geeignetsten Stellen für die zahlreichen Motive zu finden. Da heute in Serbien Ostersonntag ist, ist es ein ausgezeichneter Tag, diese Strecke mit dem Fahrrad zu fahren. Zumindest am Vormittag ist kaum Verkehr unterwegs und am Nachmittag bin ich bereits durch. Aber überhaupt habe ich den Eindruck, dass die touristische Erschließung des Eisernen Tors eher von rumänischer als von serbischer Seite erfolgt. Während dort ein reges Treiben herrscht und zahlreiche Touristenboote auf der Donau unterwegs sind herrscht hier in Serbien Ruhe.
Nach einer Mittagspause auf einem Rastplatz komme ich dann zum Kraftwerk Eisernes Tor 1 mit seiner gewaltigen Staumauer. Die 150 Kilometer dahinter gelten als Stausee und umfassen auch die Strecke der Donau am Eisernen Tor. Ich würde mal schätzen, dass der Stausee so etwa bis Stara Palanka zurückreicht. Der Wasserpegel stieg auf diese Entfernung dauerhaft um 35 Meter, wodurch natürlich etliche Dörfer und Inseln in den Fluten versanken. Zum Fertigstellungszeitraum 1972 galt das Kraftwerk Eisernes Tor 1 als das weltweit größte Flusskraftwerk. Mein Versuch zur Staumauer vorzudringen, um einige Fotos aus der Nähe zu machen, scheitert jedoch am Wachpersonal. Ein zwar freundlicher aber auch schwer bewaffneter Sicherheitsmensch erläutert mir freundlich aber bestimmt, dass fotografieren verboten sei. Ich kann mir immer noch nicht so ganz vorstellen, was hier so geheimnisvoll sein sollte, dass es nicht fotografiert werden darf.
Schon hinter dem Eisernen Tor hatte sich die Landschaft merklich verändert. Das raue Gebirge wird eine immer flacher werdende Berg- und schließlich Hügellandschaft abgelöst. Felsformationen werden immer weniger. Hinter dem Kraftwerk laufen dann auch die letzten Berge und Hügel aus und nach 150 Kilometern ist dann das Donaudurchbruchstal zwischen den serbischen Karpaten und dem rumänischen Banater Gebirge beendet. Meine gestrige Verwechslung des Banater Gebirges mit den rumänischen Karpaten und des Balkangebirges mit den serbischen Karpaten muss ich daher korrigieren. Es hätte meines Erachtens ohnehin viel besser gelungen, wenn ich über meinen Ausflug in die Karpaten berichtet hätte. Das Balkangebirge liegt dann in Bulgarien, aber weiter südlich von der Donau entfernt. Soviel zur geografischen Präzisierung.
Nach Kladovo, meinem heutigen Ziel, sind es nur noch 9 Kilometer. Dort erwartet mich dann eine Art Pension, die ganz neue Zimmer mit Hotelcharakter vermietet. Der Besitzer oder Chef spricht auch sehr gut Deutsch, weil er vor 20 Jahren in Innsbruck sein Architekturstudium fortgesetzt hat. Das Zimmer kostet etwa die Hälfte meiner gestrigen Absteige und ist zwar einfach aber chic und sehr funktional eingerichtet. Nachdem ich mein Gepäck aufs Zimmer gebracht habe, mache ich noch eine kleine Tour zu der allseits angepriesenen und ausgewiesenen Trajanbrücke. Das, was ich zu sehen bekomme, ist allerdings enttäuschend. Aber seht selbst! Danach geht es zum Abendessen in ein zünftiges und vom Vermieter empfohlenes Lokal und nach meiner Rückkehr gönne ich mir erst einmal eine ausgiebige Dusche und genieße einfach diese wunderschöne Unterkunft.
Tagesdaten: 65,24 km; 6:05:59 Std. Fz; 10,69 km/h; 386 Hm