60. Tag: 01.06.2017 Kopacevo – Ilok

Das Wetter hat sich verändert. In der Nacht muss es geregnet haben und der Himmel ist bedeckt Ein Blick auf den Wetterapp zeigt, dass sich hier Ungemach zusammenbraut. Eigentlich müsste es schon wieder regnen. Auch ansonsten beginnt der Tag nicht gerade ersprießlich. Frühstück soll es erst um 8 Uhr geben. Da ist aber noch niemand in der Küche. Erst um 8.15 Uhr kommen zwei Servicekräfte. Meinen ersten Kaffee bekomme ich dann erst um 8.30 Uhr. Das hebt nicht gerade meine Stimmung an diesem Tag. Das Frühstück dauert dann noch etwas länger. Schließlich muss ich noch die zwei Tassen Kaffee die ich nachbestellt habe extra bezahlen. Eine Diskussion ist relativ zwecklos. Sie kosten dann mehr als das gesamte Frühstück.

Gegen 9.30 Uhr komme ich dann erst los und mein nächstes Zwischenziel ist Osijek. Osijek war im Kroatien-Krieg 1991-1995 heiß umkämpft. Die Jugoslawische Volksarmee versuchte die Stadt zu erobern, was misslang. Die Verteidiger Osijeks behielten jedoch die Kontrolle über die Stadt. Osijek war auch ein Zufluchtsort für geflohene und vertriebene Nicht-Serben. Demgegenüber mussten serbische Zivilisten die Stadt fluchtartige verlassen und es kam zu teilweise noch bis heute ungeklärten Morden.

Ja die heutige Etappe führt durch ein noch nicht lang befriedetes Kriegsgebiet. Auf der Fahrt nach Osijek sehe ich auch zum ersten Mal die Warnschilder, die noch heute 20 Jahre danach vor Landminen warnen. Es sind zwar meistens etwas entlegenere Stellen, aber immerhin, die Gefahr besteht nach wie vor und wenn man bedenkt, welche Schäden es in Deutschland nach 1945 gegeben hat, wenn spielende Kinder alte Munition gefunden haben, dann sind solche Warnungen nur zu berechtigt. Ich drehe eine Runde durch Osijek, aber ich habe der Stadt noch nie viel abgewinnen können. Allerdings sieht man auch nach wie vor, dass die Wunden noch nicht vernarbt sind. Tausende Einschusslöcher an den Häuserfronten erinnern an den Krieg wie zahlreiche ganz zerstörte Häuser. Man bemüht sich wieder aufzubauen, zu renovieren, auszubessern und neu zu bauen. Aber das braucht alles Zeit.

Von Osijek geht es in Richtung Vukovar. Ich denke noch immer darüber nach, ob ich heute in Vucovar bleiben sollte oder noch bis Ilok komme. Mein Wetterapp sagt für die Region starke Regenfälle und heftige Gewitter voraus. Meine Wahrnehmung ist eine andere. Zwar ziehen schwarze Wolken von Serbien heran, aber irgendwie kommen sie nicht zu Potte. Immer wieder mal einige entfernte Blitze und spärliches Donnern sind zu vernehmen. Bedrohlich sieht es auf jeden Fall nicht aus. So entscheide ich mich dafür, meiner Wahrnehmung zu folgen und nicht dem Wetterapp. Am Abend habe ich richtig gelegen. Ich weiß zwar nicht, ob es stimmt, aber ich habe weder Regen wahrgenommen noch Gewitter. So ist doch die Orientierung an der eigenen Wahrnehmung nicht immer falsch, auch wenn die uns begleitenden Programme etwas Anderes suggerieren.

Während ich so vor mich hin räsoniere, habe ich leider den Abzweig des Donauradwegs von der Bundesstraße versäumt. So fahre ich nun weiter auf der stark auch von LKW befahrenen Straße weiter. Sie spart mir aber auch etwa 10 Kilometer. In Vukovar waren Heidrun und ich auch schon vor einem halben Jahr. Viel verändert hat sich freilich nicht. Auch Vukovar hat noch viele Wunden zu heilen. Mich hat der damalige Besuch tief berührt. Auf dem Friedhof zu sehen wie hier ein großer Teil der zwischen 1965 und 1975 geborenen Männer sein Leben verlor nicht nur bei Kampfhandlungen, sondern wie sie zusammengetrieben und niedergemetzelt wurden. Dass so etwas Ende des 20. Jahrhunderts in relativer Nähe von uns geschehen konnte, hat mich schon sehr bedrückt. Ich spare mir heute den Besuch dieser Schreckenstätten. Sie sind mir noch zu sehr in Erinnerung.

Das beeindruckendste Symbol aus dieser Zeit bleibt für mich der Wasserturm von Vukovar. Er ist völlig zerschossen, aber auf ihm weht noch immer die Flagge Kroatiens. Während des Krieges war das schon so und immer wenn die Serben sie mal wieder abgeschossen hatten, fand sich ein Kroate aus Vukovar, der nachts heimlich hinaufkletterte, um ein neues Exemplar zu hießen. Dieser Wasserturm ist heute noch ein Mahnmal gegen den Wahnsinn nicht nur des damaligen Krieges.

Nach Vukovar kommt ein selbst vom bikeliner als nicht unproblematisch bezeichnetes Stück des Donauradweges. Die Bundesstraße wir enger und der LKW-Verkehr wird nicht weniger. Außerdem sind vier oder fünf Gefälle mit anschließendem Anstieg von 6-8 Prozent zu bewältigen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich heute Morgen ziemlich Manschetten vor dieser Etappe hatte. Aber ich bewältige sie relativ gut. Bei 8 Prozent Steigung steige ich freiwillig vom Fahrrad und schiebe. Ab einer solchen Steigung ist das auf jeden Fall angenehmer als zu strampeln. Aber die Strecke hat auch schöne Seiten. Es scheint sich um ein Lösgebiet zu handeln, das sehr fruchtbar ist. So werden hier Wein angebaut aber auch Obstplantagen angelegt. Es werden Getreide aber auch Paprika und Mais angebaut. Teilweise sehe ich auch Kartoffeläcker. Ich komme dann doch relativ wohlgemut in meinem wieder einmal sehr schönen, preiswerten Hotel in Ilok an, von wo aus ich dann morgen nach Serbien starten werde.

Tagesdaten: 88,57 km/06:45 Std. Fz/13,12 km/h/308 Hm aufwärts/259 Hm abwärts

 

Ein Kommentar

  • Kathrin sagt:

    Lieber Wolfgang,
    Die heutigen Bilder und Berichte lassen einen erschrecken. Auch wir machten solche Eindrücke, als wir Ende der 90-ziger Jahre mit dem Auto auf dem Weg in den Urlaub dort entlang gefahren sind. Die Bevölkerung scheint immer noch wie gelähmt zu sein und diese Greultaten noch nicht verarbeitet zu haben. Es ist natürlich traurig, nach über 25 Jahren diese „offenen Wunden “ zu sehen. Vorallem wenn Mann um die Sinnlosigkeit dieses Krieges weiß.
    LG Kathrin

Schreibe eine Antwort

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.