Heute soll es noch einmal warm bleiben und es werden auch tatsächlich Temperauren bis 20°. Mit der Sonne ist es nun vorbei, der Himmel bleibt den ganzen Tag bedeckt. Allerdings kündigen sich einige Schauer an. Auch ansonsten beginnt der Tag höchst unerfreulich. Mir war zwar bewusst, dass ich im Hotel Hermes kein Frühstück bekomme, aber dass ich in ganz Pieniezo nirgends einen Kaffee bekam, hat meine Laune für den Tag doch beeinträchtigt. Ich möchte nicht wissen, wie viele Jahrzehnte es her ist, dass ich morgens mal keinen Kaffee bekommen habe. So esse ich im Hotel zwei trockene Brötchen, die ich in der Stadt doch noch erworben habe, etwas Käse und eine Knackwurst.
Die Fahrt von Pieniezno nach Lidzbark Warminski
Nach diesem spartanischen Frühstück packte ich meine Sachen aufs Fahrrad und machte mich aus dieser unfreundlichen Stadt davon. Es wird nun etwas hügeliger und zwischen Kandyty und Gorowo Ilaweckie geht es auf den ersten Bahntrassenradweg. Leider ist der Weg dort nicht asphaltiert, sondern geschottert. Er lässt sich zwar dennoch recht gut befahren, senkt aber das Durchschnittstempo doch erheblich. Auch ansonsten überwiegen heute nicht asphaltierte und marode Straßen auf der Strecke.
Am Mittag hatte es zwar aufgeheitert und die Sonne war auch durch die Wolken gekommen, aber plötzlich ziehen am Nachmittag, ohne dass ich es zunächst überhaupt merke, dunkle Wolken auf. Mit einem gewissen Erstaunen stelle ich fest, dass plötzlich Regentropfen vom Himmel herunterfallen. Ich fahre gerade durch ein Dorf, als es wie aus heiterem Himmel dann zu schütten beginnt, wie ich es so bisher noch selten erlebt habe. Da ich keine Regenkleidung anhabe, drohe ich innerhalb von ein bis zwei Minuten klitschnass zu sein. Gerade kann ich mich noch unter ein schützendes Vordach eines Bauernhauses retten. Dann kommt auch schon der Bauer angelaufen und hilft mir dann auch dabei, mein Fahrrad ebenfalls unter das Vordach zu wuchten. Hier stelle ich einmal wieder die Hilfsbereitschaft der Polen fest. Ganz fasziniert ist der Bauer von meinem iPhone. Er wollte wissen, wo ich herkomme und ich zeigte es ihm auf google-maps. Er strich dann selbst mit seinen Fingern über das Display und war sehr angetan davon, was man auf der Karte so alles finden konnte.
Nach fünf Minuten war der Spuk mit dem Schauer dann schon wieder vorbei. Ich bedankte mich dann bei dem Bauern, der mich eigentlich noch gar nicht losfahren lassen wollte. Aber ich wollte ja möglichst bald mein heutiges Ziel Lidzbark Wimanski erreichen. Das waren aber noch um die 20 Kilometer. So fuhr ich denn weiter. Nach einiger Zeit merkte ich dann, dass dies nicht unbedingt der letzte Schauer gewesen sein müsste. Da ich oft meine Regenbekleidung zu spät anziehe, hielt ich im Wald an und zog mir die Regenhose über und holte auch die Regenjacke heraus. Ich war damit gut beraten, denn 20 Minuten später ging der nächste Schauer runter und ich konnte glücklicherweise gerade noch in ein Bushaltestellenhäuschen retten. Bei einem solchen Schauer ist an Weiterfahren überhaupt nicht zu denken. Es goss wie aus Kannen und innerhalb von Minuten bildeten sich aus kleinen Rinnsalen heftig fließende Bächlein. Ich will es kurz machen. Das gleiche wiederholte sich noch zwei mal. Einmal kam mir wieder ein polnischer Bauer zur Hilfe und winkte mich auf die überdachte Veranda seines Hauses, ein andermal wieder Haltestellenhäuschen.
So kam ich etwas entnervt in Lidzmak Warminski an und musste zu meinem Ärger feststellen, dass ich in meinem Navi als Ziel noch das ursprünglich einmal ins Auge gefasste Hotel drin hatte und nicht das zum Schluss gebuchte. Also nochmal im Navi die Strecke bearbeiten und noch mal 1,5 Kilometer, die ich schon zurückgelegt hatte, wieder zurückfahren, bis ich dann gegen 16:30 Uhr vor der Türe des Hotels Warmia stand und Einlass begehrte. Ein freundlicher älterer Herr nahm mich in Empfang und wies mir mein Zimmer zu. Das Zimmer hatte eine Tür direkt zum Garten des Hauses, wo ich mein Fahrrad unter einer überdachten Wäscheleine abstellen durfte.
Der Hausherr hielt mich dann noch mit zahlreichen Fragen in einem bruchstückartigen Englisch auf, wo ich herkomme, wo ich hinwolle, wie alt ich sei und wie alt ich ihn schätze. Er machte noch einen rüstigen Eindruck und so schätzte ich ihn nicht älter als mich ein, worauf er mit stolz geschwellter Brust verkündete, dass er bereits 75 sei. Außerdem spiele er noch Fußball und finde, das Leipzig einen guten Fußballklub habe.
Als wir das dann alles soweit geklärt hatten, konnte ich mich endlich um mich kümmern, zog mich um und machte mich dann auf den Weg zur Erkundung der Stadt.
Tagesstrecke: 62,72 Km; 11,68 Km/h; 450 Hm
Rundgang durch Lidzbark Warminski
Trotz des schlechten Wetters stellt man schnell fest, dass Lidzbark Warminski architektonisch schon etwas Besonderes hier im Ermland ist. Ebenso wie Frombork entpuppt es sich bei näherer Betrachtung als eine architektonische Perle des Ermlands. Das liegt natürlich vor allem an den historischen Bauten wie dem Hohen Tor, der Kirche St. Peter und Paul, die ursprünglich evangelische Kirche nach den Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel, der alten Ordens- und späteren Bischofsburg, der Vorburg mit Palast des Bischofs Grabowski und Uhrenturm, und schließlich dem Bischofssommerpalast, um nur die wichtigsten zu nennen.
Mein Spaziergang wird des Öfteren durch Regen unterbrochen. Insofern suche ich mir ein Lokal, in dem Piroggen angeboten werden. Während des Essens mache ich mich mit der Geschichte der Stadt etwas vertraut, die sehr typisch für das gesamte ehemalige Ostpreußen ist. Deshalb hier eine kurze Zusammenfassung, die ich hier aus der Darstellung bei Wikipedia gekürzt wiedergebe:
Heilsberg, wie die Stadt bis 1945 hieß, wurde 1240 vom Deutschen Orden an der Stelle einer prußischen Burg gegründet, die sich am Ort der Einmündung der Simser in die Alle (Lyna) befand.
Heilsberg wurde im Jahr 1306 Sitz des Fürstbistums Ermland, eines der vier 1243 im preußischen Ordensstaat eingerichteten Bistümer. Es erhielt 1308 von Bischof die Stadtrechte und blieb 500 Jahre lang im Territorialbesitz des Fürstbistums Ermland. Um 1350 begann der Ausbau des Bischofsdomizils. Auf quadratischem Grundriss entstand im nächsten halben Jahrhundert der Palast der Bischöfe von Ermland.
Zwischen dem Deutschen Orden und dem Fürstbistum hatte ein Neutralitätsbündnis bestanden, das von den Ermländern im Dreizehnjährigen Krieg jedoch gebrochen wurde, da viele von ihnen nun auf der Seite des abtrünnigen Preußischen Bundes kämpften. Dies führte dazu, dass der Krieg des Ordens mit Polen nun auch auf ermländischen Boden ausgetragen wurde und der polnische König Kasimir IV. Andreas so Gelegenheit bekam, sich der ermländischen Burgen zu bemächtigen. Die Aushändigung der Burg Heilsberg 1454, gleich zu Anfang des Krieges, erfolgte ohne Auftrag durch das Domkapitel in Abwesenheit des Fürstbischofs.
Nach dem Zweiten Thorner Frieden kam der Ort Heilsberg im Jahr 1466 zusammen mit dem Fürstbistum Ermland zum autonomen Preußen Königlichen Anteils, das sich freiwillig der Oberhoheit der polnischen Krone unterstellt hatte. Das Fürstentum, das dort einer Woiwodschaft gleichgestellt war, war nun Polonisierungsversuchen ausgesetzt, die mit dem Bestreben einhergingen, die autonome Region möglichst in eine polnische Provinz umzuwandeln. Anlässlich der Errichtung der Union von Lublin auf dem Lubliner Sejm vereinnahmte König Sigismund II. August am 16. März 1569 das Preußen Königlichen Anteils als Provinz formell in das Königreich Polen. Das Ermland konnte allerdings große Teile seiner althergebrachten lokalen Rechte und Privilegien dabei erhalten.
Im Winter 1703/1704 residierte der schwedische König Karl XII. während seines Feldzugs gegen Polen und Russland im Großen Nordischen Krieg in der Heilsberger Burg, auch als Schloss bezeichnet.
Im Rahmen der ersten polnischen Teilung 1772 kam Heilsberg an das Königreich Preußen. Vom 10. bis 11. Juni 1807 fand hier die Schlacht bei Heilsberg zwischen französischen Truppen und den verbündeten russischen und preußischen Heeren statt.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eroberte am 31. Januar 1945 die Rote Armee Heilsberg. Zwar überstand die Stadt den Einmarsch unversehrt, ging aber ein paar Tage später durch Brandstiftung in Flammen auf. Mehr als 40 Prozent der Bausubstanz der Stadt wurden zerstört. Im März/April 1945 unterstellte die Rote Armee Heilsberg der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Diese führte für Heilsberg den polnischen Ortsnamen Lidzbark Warmiński ein, vertrieb die überwiegend deutschstämmigen Einwohner nahezu restlos und siedelte an ihrer Stelle Polen an, die zum Teil aus den im Rahmen der „Westverschiebung Polens“ an die Sowjetunion gefallenen Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen.
Schauen wir uns nun die Sehenswürdigkeiten im Einzelnen an.