Heute geht es in die Wüste! Wir brechen erst gegen 7:30 Uhr auf, weil Butz meint, dass zwar ab 6.00 Uhr eingelassen wird, wir aber am Eingang erfahrungsgemäß in einer langen Schlange stehen müssten und damit der Sonnenaufgang dann ohnehin vorbei wäre. So können wir noch einigermaßen gemütlich frühstücken. Während wir noch frühstücken, sehen wir schon zahlreiche Staubwolken über der Straße. Wir sind wohl tatsächlich nicht die einzigen, die heute das Ziel der Sanddünen am Sossusvlei haben. Die Wüste, in die es geht, ist die Namib, die sich etwa 2000 Kilometer entlang der Südwestküste Afrikas erstreckt. Sie liegt zum weitaus größten Teil auf dem Gebiet von Namibia sowie in Angola. Unschwer ist zu erkennen, das der Name von Namibia sich aus dem Namen der Wüste ableitet. Er wurde nach der Unabhängigkeit als neutrale Bezeichnung gewählt, um keines der vielen namibischen Völker zu benachteiligen. Die Namib soll mit 80 Mio. Jahren die älteste Wüste der Welt und wegen ihren Temperaturschwankungen und der Trockenheit einer der unwirtlichsten Orte des Planeten sein. Unser eigentliches Ziel sind heute die mit bis zu 350 Metern höchsten Sanddünen der Welt und das Sossusvlei, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Das Sossusvlei bezeichnet eine Salz-Ton-Pfanne (Vlei) , in der ein „blinder Fluss“ (Sossus) endet. Hier ist es der Tsauchab, ein nur gelegentlich und zunehmend seltener Wasser führender Fluss, der aus dem Naukluftgebirge kommend hier in den Sanddünen endet bzw. versandet.
Bevor wir das Gebiet erreichen, geht es erst einmal über ca. 45 Kilometer auf einer ausgesprochen holprigen, weil sehr befahrenen Schotterstraße zum Eingang des Namib Naukluft Parks. Hier kommen wir nun ohne Wartezeit hinein, sind aber noch längst nicht am Ziel angelangt. So fahren wir weitere ca. 20 Kilometer durch eine bergige aber auch immer wüstenähnlichere Landschaft bis die Berge verschwinden und wir nur noch von rotbraunen Sanddünen umgeben sind. Es sollen Wanderdünen sein. Ihr Gebiet erstreckt sich über eine Länge von mehr als 300 Kilometern und eine Breite von 140 Kilometern. Es ist das Zentrum der Namib.
An einer Düne machen wir dann Halt. Es ist die Düne 45. Die Bezeichnung bzw. Nummerierung stammt noch aus der deutschen Kolonialzeit. Hier meint Butz könnten wir nun gerne hochwandern. Es ist nicht die höchste Düne, aber etwa 180 Höhenmeter sind doch zu bewältigen. Obwohl die Temperaturen inzwischen bei rund 35 Grad liegen und der gesamte Weg sichtbar frei von jeglichem Schatten ist, zieht es die meisten von uns hinauf. Nur Butz und zwei weitere Mitglieder unserer Reisegruppe verzichten auf den Aufstieg. Butz rät uns aber dringend, genügend Wasser mitzunehmen, was sich als sehr berechtigt erweist. Der Weg, der vor uns liegt, ist schon von unten gut sichtbar, so dass man schon recht genau sehen kann, was auf einen zukommt. Es geht einen schmalen Pfad hinauf, den heute offensichtlich schon viele gelaufen sind. Dennoch sinkt man immer wieder im Sand ein, was dem Aufstieg natürlich besonders anstrengend macht. Gott sei Dank kommen uns nicht mehr allzu viele andere Touristen entgegen, weil es wegen des lockeren Sandes den Aufstieg noch weiter erschweren würde. Jeder kämpft sich hier mehr oder weniger alleine hoch und muss seinen Tritt und seine Geschwindigkeit finden. Die meisten tragen Wanderschuhe, sogar manchmal hochgeschlossene. Das lässt die Füße bei den Temperaturen natürlich schwitzen. Jürgen und Marlies haben sich dagegen für Sandalen entschieden, erzählen aber nachher doch, dass es mit dem Sand recht heiß wurde. Nach etwa einer halben Stunde sind wir oben und blicken über eine unendlich erscheinende Weite von Dünen und Sand. Ab und zu steht da mal ein Baum, oft aber schon abgestorben bilden sie dann ein bizarres Gerippe in der Landschaft.
Auch Willi, unser Ältester, hat sich den Aufstieg nicht nehmen lassen. Nicht ohne Stolz erzählt er uns, dass er noch im vergangenen Jahr auch die höchste Düne erklommen hat, die wir später am Sossusvlei sehen werden. Nachdem wir uns satt gesehen haben, geht es wieder abwärts. Inzwischen kommt uns auch wieder eine andere Gruppe entgegen, so dass wir häufiger ausweichen müssen. Unten angekommen müssen wir erst einmal verschnaufen und den Sand aus unseren Schuhen ausleeren. Nachdem sich alle etwas erholt haben, verlassen wir die Düne 45 und fahren noch einige Kilometer mit dem Bus, bis es nicht mehr weitergeht, weil nur noch Sandwüste vor uns liegt und hier nur noch Geländejeeps durchkommen, die allerdings zahlreich für die ankommenden Gäste bereit stehen. Das ist wohl nicht immer so, aber Butz meint, dass dies der Vorteil sei, wenn man die Tour etwas später beginnt. Wir besteigen einen der Jeeps und werden noch einmal einige Kilometer weit in die Wüste gefahren. Von hier kann man dann bis zu den höchsten Dünen und vor allem bis zum Sossusvlei wandern.
Die Wanderung geht etwa zwei bis drei Kilometer weit in die Wüste hinein. Die Wasservorräte hatten wir noch einmal, bevor wir in den Jeep stiegen aus, den Kanistern im Bus aufgefüllt. Es gibt keinen Weg. Die Dünen und einige vorgelagerte Vleis dienen der Orientierung. Es ist natürlich ein schweißtreibender Gang. Die Temperaturen nähern sich inzwischen wohl der 40 Grad Marke. Die meisten unserer Gruppe gehen letztlich für sich. Auch hier erreicht man etwa nach einer halben Stunde das von Dünen eingerahmte Sossusvlei. Es ist eine weißgraue Fläche und der Begriff „Salz-Ton-Pfanne“ beschreibt das, was man sieht sicher am Besten. Uralte abgestorbene Bäume in dem Vlei geben ihm einen ganz besonderen Reiz. Dahinter erhebt sich die wohl höchste Düne der Namib mit etwa 350 Metern. Wir sehen in der Ferne einige Wagemutige sie direkt angehen. Nach einiger Zeit sind sie aber wieder runtergerutscht. Willi erklärt uns noch einmal, wo er im letzten Jahr hoch auf die Düne gegangen ist.
Der Weg hierher war schon sehr anstrengend. So verzichten wir auch darauf, noch weiter auf das Vlei hinauszuwandern. Der Rückweg durch die Hitze liegt ja noch vor uns. Interessant ist aber doch, wie unterschiedlich manche hier durch die sengende Sonne und den heißen Sand wandern. So sieht man junge Frauen in Flip Flops, manche gehen hier ohne Kopfbedeckung und manche Kinder sind erschöpft und laufen nur noch heulend gezogen von ihren Eltern den Weg zurück. Auch Jürgen und Marlies empfinden die Hitze des Sandes in ihren Sandalen inzwischen sehr unangenehm. Ich bin doch sehr froh, dass ich Heidruns Rat gefolgt bin und meine Wanderschuhe und Strümpfe angezogen habe. Eigentlich wollte ich die Tour auch in Sandalen machen. Auf dem Rückweg wird dann bei einigen auch das Wasser knapp. Auch ich hatte wohl am Anfang zu viel Wasser getrunken. Heidrun bietet mir von ihrem Wasser an, aber ich will mir meinen Rest nun selber einteilen. Es ist ja selbst verschuldetes Leid, ich gehe aber davon aus, dass ich mit meinem Rest hinkomme.
Etwas erschöpft kommen wir zum Parkplatz, wo die Jeeps auf die Wanderer warten. Gott sei Dank gibt es hier einige schattenspendende Bäume, unter denen man etwas vor der nun sehr hoch stehenden Sonne geschützt ist. An der Hitze ändert sich dadurch aber nicht viel. So fahren wir bald wieder mit dem Jeep zurück zu unserem Bus. Nun können wir wieder unsere Flaschen mit Wasser füllen. Dann geht es zurück. Kurz vor der Ausfahrt biegen wir nach rechts, also in eine andere Richtung ab und nach wenigen Kilometern halten wir auf einem Parkplatz in der Nähe des Sesriem-Canyon. Der Fluss Tschaub hat hier vor rund 2 Mio. Jahren eine 1 Kilometer lange bis zu 30 Meter tiefe Schlucht gegraben. Vom Parkplatz führt ein teilweise recht steiler und unwegsamer Pfad bis zum Grund der heute in der Regel trockenen Schlucht. Offensichtlich reicht es den meisten der Reisegruppe inzwischen und sie machen auf halben Wege kehrt. Nur Willi, Gabi, Christine und ich gehen ganz hinunter und laufen einige hundert Meter in die eine und in die andere Richtung.
Der Sesriem-Canyon ist sicher nicht so spektakulär wie der Fish-River-Canyon. Eindrucksvoll ist er dennoch. Am oberen Ende der Schlucht rücken die Felswände immer näher zusammen, stellenweise ist der Canyon am oberen Rand nur noch 2 Meter breit. Von unten sieht das schon ziemlich erdrückend und bedrohlich aus, zumal die Felswände sehr zerklüftet, porös und karstig sind und schon dadurch nicht gerade stabil wirken. Zurück im Bus fahren wir dann aus dem Namib Naukluft Park wieder hinaus. Kurz nach der Ausfahrt machen wir Rast an einer Tankstelle. Das Bedürfnis nach kalten Getränken ist groß. Danach geht es auf der bereits bekannten Schotter- und Rumpelstrecke wieder zurück ins Desert Homestead. Den Rest des Nachmittags verbringen viele am Pool. Selbst ich habe mal das Bedürfnis in den Pool zu gehen und so können wir, was auf unserer Reise eher selten vorkommt, noch vor dem Abendessen gut relaxen. Später ist dann auch unsere Wäsche, die wir gestern zum Waschen gegeben haben, fertig, wenn auch nicht immer dem richtigen Zimmer zugeordnet. Allerdings findet doch jeder seine Wäsche wieder und das ist ja die Hauptsache. Am Abend lässt Butz einen Briefumschlag rumgehen, in den jeder ein Trinkgeld fürs Wäschewaschen hineinlegt.
Das Abendessen ist wieder sehr gut. Butz ist wie schon die letzten beiden Abende in seinem Element und erzählt uns sehr viel über seine Heimat Namibia, über die Probleme, die es auch nach der Unabhängigkeit und dem Ende der Apartheid noch an allen Ecken und enden gibt. Natürlich erzählt er dies aus der Sicht und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen als deutschstämmiger Namibier. So ist es verständlich, dass er auch keine sonderlichen Sympathien für die Politik der Buren in der Vergangenheit hegt, die zusammen mit den Briten seinen Vater während der Zeit des Nationalsozialismus inhaftierten und durch die seine Familie auch die vom Großvater errichtete Farm verloren hat, als sie zur Zeit der Apartheid die Homelands gründeten, um die Farbigen zu expatriieren, und ihre Farm gerade in einem Gebiet lag, das Homeland werden sollte und sie die Farm daher verkaufen mussten.